Invasion in Cork...

"Deutsche Truppen landen in Cork" - Ich muss zugeben, als ich diese Schlagzeile auf der Irischen Nachrichtenseite Breakingnews.ie gelesen habe, ist mein Blick instinktiv zum Kalender auf meinem Schreibtisch gewandert. Hatte ich etwas übersehen? War etwa der 1. April schon da? 

Wappen der Standing NATO Mine Countermeasures Group 1

Doch es war kein Aprilscherz. Am 28.03.2013 liefen sechs NATO-Kriegsschiffe unter Führung des polnischen Logistik-, und Landungsschiffes ORP Konteradmiral Xawery Czernicki in Cork ein. Begleitet wurden sie vom Irischen Hochsee-Patrouillenschiff L.E. Aisling. Die Schiffe gehören allesamt zur Standing Mine Countermeasures Group 1 (SNMCMG 1) der NATO, einem von zwei ständig abrufbereiten Minenräumverbänden des Nordatlantik-Bündnisses. Nun ist Irland bekanntlich kein NATO-Mitglied. Es gibt jedoch seit Jahren enge Beziehungen im Rahmen von PfP (Partnership for Peace). Im Rahmen dieses Programms hatte die SNMCMG 1 in den letzten Wochen intensive Manöver mit den Irischen Streitkräften abgehalten. Als krönender Abschluss dafür war ein Hafenbesuch in Cork vorgesehen, zu dem die Schiffe dann am 28. März auch einliefen.
Neben dem ganzen Zeremoniellen Bruhaha, unter anderem einem Empfang durch den Oberbürgermeister von Cork, waren die Schiffe auch für Besucher geöffnet, dies allerdings erst ab 31. März. Man wollte wohl den Besatzungen Zeit geben, ihre Schiffe auf Vordermann zu bringen, und auch selbst etwas abzuschalten, und den Frühling in Cork zu genießen, bei 7 Grad Celsius und schneidendem Ostwind.
Am heutigen 1. April war es dann für mich soweit. Die Kamera geschultert machte ich mich auf in den südirischen Frühling (Schnatter...). Eine derartige Gelegenheit konnte ich mir als marineinteressierter (Besessener?) nicht entgehen lassen. Mein Erstes Ziel war das Flaggschiff des Verbandes, die ORP Czernicki.


Die Czernicki ist vom Alter her das jüngste Schiff des Verbands, und sein Flaggschiff. Sie war ursprünglich von der Russischen Marine in Auftrag gegeben worden, die allerdings noch während des Baus den Auftrag wieder zurückzog. Die Polnische Marine gab daraufhin kurzerhand den Auftrag, das Schiff fertig zu bauen und in ihre Dienste zu übernehmen. 
Das Schiff selbst ist ein Mehrzwecklogistikschiff, das nur über eine Leichte Bewaffnung verfügt, aber sowohl Truppen als auch Versorgungsgüter transportieren kann. Außerdem verfügt sie über ein Fahrzeugdeck um Schützenpanzer und andere Landungsfahrzeuge an Bord zu nehmen und anzulanden. Wenn man bedenkt, das sie nur 73,8 Meter von Bug bis Heck misst, dann ist das schon eine beträchtliche Leistung.

Jeder Kommandant hat desöfteren das Gefühl, das die Führung des Kampfverbandes nur aus Kamelen besteht. Bei der SNMCMG 1 gibt es dafür auch Beweise.
Blick auf das Heck der ORP Czernicki. Über die beiden Rampen können an Bord befindliche Fahrzeuge angelandet werden, sofern noch Kaianlagen existieren, die nicht zusammengeschossen wurden. Für Operationen mit der US Navy also eher ungeeignet...
Blick vom Vorschiff zur Brücke der Czernicki - Das, was da wie ein verunglücktes Cristo-Kunstwerk aussieht ist in Wirklichkeit das Buggeschütz des Schiffes, laut Wikipedia eine Kombination aus 23mm-Schnellfeuergeschütz und Starter für Strela 2M Flugabwehr-Raketen.
Blick auf die Czernicki von Bord der L.E. Aisling
Als nächstes stand das zweite Polnische Schiff des Verbands auf der Liste, die ORP Czajka. Gefühlt ist sie das kleinste Schiff des Verbands, obwohl ihre Länge von 58 Metern immer noch recht ansehnliches ist. Auf jeden Fall ist die Czajka das älteste Schiff des Verbands. Sie wurde bereits 1966 in Gdynia vom Stapel gelassen. Sie wurde Anfang der 2000er zusammen mit zwei Schwesterschiffen umfassend modernisiert. Die Restlichen Schiffe der ursprünglich 12 Einheiten umfassenden Klasse wurden mittlerweile außer Dienst gestellt und verschrottet.

Die Czajka wirkt im Verleich zu den anderen Schiffen des Verbands beinahe winzig.
Blick auf das Achterdeck der Czajka. Der gleiche scharfe Nordostwind, der hier die Polnische Flagge auswehen lässt, war auch für mich der Grund, mich auf diesem Schiff nicht weiter aufzuhalten.
Vielleicht bin es nur ich, aber meiner Meinung nach sieht man der Czajka ihre Herkunft im Warschauer Pakt deutlich an.
Damit waren die Schiffe am Horgan's Wharf abgehandelt, und keine Minute zu früh. Der Wind wurde langsam richtig übel. Also nix wie rüber auf die Andere Seite des Hafenbeckens. Hier lagen zwei Schiffe, die zwar identisch aussahen, aber verschiedenen Streitkräften angehörten. Sowohl die BNS Bellis als auch die HNLMS Urk gehören der Tripartite-Klasse an, die Ende der 1970er-Jahre von Frankreich, den Niederlanden und Belgien entwickelt wurde. Diese Schiffe wurden in großen Mengen gebaut, um der NATO im Kriegsfall ausreichende Minenräumfähigkeiten im Ernstfall zu geben.

Nein, hier sieht niemand doppelt. Beide Schiffe sehen fast gleich identisch aus. Es handelt sich um Minenräumer der Tripartite-Klasse
Mein Ziel war die BNS Bellis, ein Schiff der Belgischen Marine. Trotz der geringen Küstenlinie der Belgischen Küste unterhält das Land eine recht ansehnliche Flotte mit 6 Minenräumern und zwei ehemals niederländischen Lenkwaffenfregatten. Die Bellis selbst wurde 1986 vom Stapel gelassen, und war schon diverse Male in beiden Minenräumverbänden der NATO im Einsatz.

Die BNS Bellis in all ihrer, ähm, äh, Pracht...

Ein Browning-M2 Maschinengewehr. Ob man es als berühmt oder berüchtigt bezeichnen soll hängt ganz davon ab, an welchem Ende des Laufs man sich befindet.
Ein SAAB/Thales ScanEagle ROV an Bord der BNS Bellis. Derartige Tauchroboter sind mittlerweile die Arbeitspferde der Minenräumboote.

Das Orangene Biest, das wie ein Torpedo mit Taschenlampen aussieht , ist ein SeaFox ROV von Atlas Elektronik.
Gruppenbild mit Robotern...
Blick auf das Achterdeck der Bellis.
Mir ist gerade aufgefallen, das auf den letzten Bilden ziemlich viel von einem Unterwasser-ROV zu sehen ist. Um das etwas genauer zu erklären, muss ich ein paar Jahrzehnte in der Zeit zurückgehen. Lange Zeit, genauer gesagt bis zurück zum Amerikanischen Bürgerkrieg, waren Minen relativ einfache Gebilde. Im Endeffekt waren sie nichts weiter als mit Sprengstoff gefüllte Eisenkugeln, die am Ende von Ketten oder Drahtseilen im Wasser trieben, und mit Zündern übersäht waren. Wenn ein Schiff eine dieser Kugeln berührte hatte es verdammt schnell ein großes Loch und ein noch größeres Problem. 
Derartige Minen zu räumen war zwar nervenaufreibend, aber ziemlich einfach. Ein Minenräumer zog einfach ein langes Kabel hinter sich her, das am Ende von einem Scherbrett auf der gewünschten Tiefe gehalten wurde (praktisch wie Drachenfliegen unter Wasser) und in regelmäßigen Abschnitten mit Drahtschneidern versehen war. Sobald ein Kabel erwischt wurde, scheuerte dies solang am Geschirr entlang bis ein Drahtschneider erreicht wurde. Sobald das Kabel gekappt war kam die Mine an die Oberfläche, und wurde zur Detonation gebracht. Bevorzugtes Werkzeug hierfür war ein starkes Gewehr.
Derartige Minen gibt es nach wie vor, man muss sich nur den Fall der Iran Ajr während der Tankerkriege im Persischen Golf anschauen. Allerdings hat sich mit der Zeit auch die Technische Finesse der Minen weiterentwickelt. Akustisch ausgelöste Minen, Torpedominen wie die Amerikanische Mk. 60 CAPTOR oder Raketenminen wie die Russische Te-1 werden allesamt direkt auf dem Meeresboden deponiert, weshalb die Kabelmethode sinnlos ist. Hierfür müssen entweder Taucher oder ROVs (Remotely Operated Vehicles) eingesetzt werden. ROVs, also Tauchroboter werden im allgemeinen bevorzugt, da man so keine Menschenleben riskieren muss. Dies ist gerade in Europäischen Gewässern mehr als nur ein akademischer Punkt, da hier immer noch Minen aus beiden (!) Weltkriegen auftauchen und geräumt werden müssen. Für die Minenräumverbände besteht also seit über 60 Jahren der Ernstfall.
Aber genug mit den theoretischen Ausführungen. Ich hatte noch ein paar Schiffe vor mir. Die HNLMS Urk habe ich links liegen gelassen, da ich ja schon ein Schiff dieser Klasse gesehen hatte. Mein nächstes Ziel war vermutlich das interessanteste Schiff des Verbandes, die HNoMS Hinnöy, ein Norwegischer Minenräumer der Oksöy-Klasse. Der Wikipedia-Eintrag über diese Schiffe ist sehr kurz, was schon zeigt, das bei diesen Schiffen mehr zu finden ist, als  man vermuten würde.



Die Hinnöy wurde 1995 in Dienst gestellt. Wie die anderen Schiffe der Oksöy-Klasse ist auch sie ein Surface-Effect-Ship (SES, Bodeneffektschiff auf Deutsch). Von außen einem Katamaran ähnlich ist der Bereich zwischen den beiden Rümpfen durch Gummischürzen vorn und achtern begrenzt. In diesem Hohlraum wird mithilfe starker Gebläse ein Luftkissen aufgebaut, das es den Schiffen der Oksöy-Klasse, wie auch denen der fast identischen Alta-Klasse, ermöglicht, den eigenen Tiefgang von 2,5 m auf 90 cm zu reduzieren. Die angeschrägten Aufbauten lassen vermuten, das beim Entwurf dieser Klasse Tarnkappentechnologie verbaut wurde, um die Erkennung und Entdeckung der Schiffe zu erschweren. Die Skandinavischen Marinen waren schließlich die ersten westlichen Streitkräfte, die das Potential dieser Technologie erkannten und ausnutzten. Man kann außerdem davon ausgehen, das diese Schiffe über Leistungsfähige Stör-, und Signalverzerrungssysteme verfügen, obwohl genaue Informationen zu diesem Thema natürlich streng geheim sind.

Mein Gott, ist die breit! - Die Hinnöy ist schon auf den ersten Blick etwas ganz anderes als die anderen Schiffe des Verbands. Unter dem Buganker sind die Gummischürzen zu erkennen, die den Hohlraum zwischen den Rümpfen abschotten.
Blick von der Brückennock auf das Vorschiff.
Und wieder einmal ein Erzeugnis der Firma Browning. Auf keinem anderen Schiff des Verbandes waren die schweren MGs in so gutem Zustand wie auf der Hinnöy.
Kreiselkompass auf der Brückennock der Hinnöy
Sowas könnte ich manchmal gut gebrauchen. Simbad-Zwillingsstarter für  MBDA Mistral-Flugabwehrraketen.
Eine Besonderheit des Norwegischen Schiffs war die Gangwaywache, die jedem, aber auch wirklich jedem salutierte, wenn er an Bord ging, oder das Schiff verließ. Es fühlt sich schon komisch an, wenn man so an Bord begrüßt wird.
Mein nächstes Ziel war die Weilheim, ein Deutscher Minenräumer der Frankenthal-Klasse. Die Deutsche Marine gehört zu den Ländern, die ständig mindestens ein Schiff der SNMCMG1 stellen. Leider habe ich aus irgendwelchen Gründen nur ein einziges Bild an Bord der Weilheim geschossen, das aber immerhin auf der Brücke! Das andere Bild hab ich mir von Wikipedia organisiert. Es zeigt daher auch nicht die Weilheim, sondern ihr Schwesterschiff Fulda.


Kommt es nur mir so vor oder werden die Offiziere immer jünger heutzutage?
Das letzte Schiff war nicht Teil der SNMCMG1. Die L.E. Aisling war jedoch zusammen mit den Schiffen des NATO-Verbands eingelaufen, und hatte anscheinend an den gemeinsamen Manövern teilgenommen. 


Die L.E. Aisling und ihre Schwesterschiffe L.E. Aoife und L.E. Emer sind die ältesten Schiffe im Dienst der Irischen Marine. Ein viertes Schiff der Klasse, das Typschiff L.E. Deirdre wurde 2001 bereits außer Dienst gestellt. Auch für die L.E. Emer und die L.E. Aoife läuft die Uhr langsam ab, sie sollen ausgemustert werden, wenn zwischen 2014 und 2017 zwei neue 90-Meter-Patrouillenschiffe in Dienst gestellt werden. 
Die Aisling ist ein Veteran diverser Einsätze, und stand schon mehr als einmal im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Sie gehörte zu den ersten Schiffen, die an der Absturzstelle des Air-India-Fluges 182 ankamen. Ein Jahr vorher wäre sie um ein Haar von einem spanischen Trawler gerammt worden, der illegal in irischen Gewässern operierte, und auch von hunderten Warnschüssen nicht gestoppt werden konnte. Ihr größter Coup gelang ihr jedoch im September 1984, als sie zusammen mit ihren Schwesterschiffen den Fischkutter Marita Ann aufbrachte, der eine große Ladung Waffen aus den USA für die IRA an Bord hatte.
Von allen Schiffen war die Besatzung der Aisling mit Sicherheit die gastfreundlichste. Passt ja, so hab ich die Iren ja bis jetzt generell kennen gelernt. Bei der Führung durch das Schiff erfuhr man so einiges über die Rotation, die Einsätze, aber auch die negativen Seiten. So scheint die Aisling ein eher buglastiges Schiff zu sein, und auch mit den Stabilisatoren scheint es nicht weit her zu sein. Laut Aussage eines Besatzungsmitgliedes wurde bei eine der letzten 4-Wochen-Patrouillen ein Neigungswinkel von 35° in rauher See erreicht, und das ganz ohne Sturm. Wie Sowas aussieht kann man an folgendem Bild recht gut erkennen:



Das 40mm-Bofors-Geschütz ist die Hauptwaffe der Aisling. Man erkennt ganz klar das dieses Schiff für den Nordatlantik gebaut wurde. Wenn man allerdings den Erzählungen der Besatzungsmitglieder zuhört, bekommt man den Eindruck, das die Aisling kein allzu gutes Seeschiff ist. 
Noch ein Bild von der Aisling von der anderen Seite des Hafenbeckens.
Wer hat denn die SEALs hier reingelassen? Seehund im Hafen von Cork.
Die Führung über die Aisling endete dankenswerterweise auf der Brücke, auf der man sich frei umschauen konnte. Kunststück, die interessanten Sachen sind ja auch in der Zentrale untergebracht. Trotzdem war ich mehr als froh drüber, dem Beißenden Wind entkommen zu sein. Als ich dann von Bord ging sah ich, wie bei den anderen Schiffen die Gangways eingeholt wurden. Die "Besuchszeiten" waren vorbei. Nun ging es ans aufräumen, Besatzungsmitglieder ausnüchtern, und daran, die Schiffe zum Auslaufen vorzubereiten. Für die Aisling geht es am Dienstag wieder zurück auf Patrouille, während SNMCMG1 ihre Goodwill-, und Trainingskampagne weiterfährt. Laut RTE soll es über England und die Färöer Inseln nach Island gehen. Dies dürfte gerade für die kleineren Schiffe des Verbands keine angenehme Fahrt werden. 
Für mich war es trotzdem ein sehr interessanter Tag. So etwas sieht man nicht alle Tage. Und trotz meines notorisch klammen Geldbeutels konnte ich es diesmal nicht lassen, mir ein Souvenir zuzulegen:


Das war's erstmal von mir. Ich sollte eigentlich schon längst im Bett sein, wollte aber diesen Bericht noch fertig kriegen. Für die Besatzungen der L.E. Aisling und der SNMCMG1 bleibt mir nur noch, danke zu sagen für einen sehr interessanten Nachmittag, alles Gute, immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel, und Mast-, und Schotbruch!

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