Mit dem ersten Glied ist die Kette geschmiedet

Jetzt ist es also passiert. Politische Gewalt ist von den Rändern ins Zentrum der Gesellschaft zurückgekehrt. Der Mordanschlag auf Henriette Reker heute morgen in Köln hat dies unmissverständlich ans Tageslicht gebracht. Er wurde von allen zivilisierten Parteien gleichermaßen aufs schärfste verurteilt, und trotzdem bleibt das unangenehme Gefühl, das hier ein Rubicon überschritten wurde. Der Anschlag, und die Reaktionen darauf, deuten ganz klar daraufhin, das es einen Teil der Bevölkerung gibt, der nicht mehr gewillt ist, demokratische Prozesse, oder abweichende Meinungen zu akzeptieren. Und genau aus diesem Milieu, aus dem Kreise jener “Besorgten Bürger”, jener “Patriotischen Europäer”, kommt auch der Angreifer, wie er selbst nach seiner Festnahme bei der Vernehmung geäußert hat.
Es ist ein Glück, das Frau Reker offenbar außer Lebensgefahr ist, und es ist auch richtig, das die Bürgermeisterwahl in Köln wie geplant morgen stattfinden wird. Denn wenn eines nicht sein darf, dann, dass wir als Zivilgesellschaft uns weiterhin von derartigen Gestalten weiter einschüchtern, und vor sich her treiben lassen. Die Frage viel eher, was noch alles nötig ist, damit die wohlstandsgesättigte Masse der Bevölkerung endlich mal ihren verdammten Arsch hochbekommt, und dem Braunen Mob zeigt, das er eben nicht für das Volk spricht, und schon gar nicht das Volk ist, wie diese Gestalten gerne behaupten. Es ist aber sicher, das nur eine entschiedene Reaktion aus breiten Schichten der Bevölkerung den aktuellen Rechtsruck in Deutschland stoppen kann.
Von wo hingegen keine Reaktion zu erwarten ist, das ist aus dem Lager derjenigen, die mittlerweile seit einem Jahr gezielt Benzin ins Feuer gießt. Auf den Twitter-, und Facebook-Accounts von PEGIDA, und all jenen anderen “Besorgten” Organisationen herrscht Funkstille zu dem Attentat. Komisch, ist denn nicht politische Gewalt auch ein Angriff auf das Abendland? Aber andererseits, wer auf seinen Demos einen Galgen, der explizit für die Spitzen der Regierung reserviert ist, zulässt, hat jede Glaubwürdigkeit im politischen Diskurs verloren. Ein derartiger Aufruf zur Lynchjustiz stellt einen direkten Angriff auf unsere Zivilgesellschaft dar, und bereitet den Nährboden für Angriffe wie heute. Um es noch etwas drastischer zu sagen, das Blut von Frau Reker klebt nicht nur an den Händen des Täters, sondern auch an denen von PEGIDA-Initiator und Justizflüchtling Lutz Bachmann und jenen, die bei seinen “Spaziergängen” mit marschieren.
Es klebt aber auch an all jenen, die ihre politischen Gegner als Linke Bazillen, Zecken, etc. beschimpfen, und ihnen nicht genehme Presseberichte als Lügenpresse verunglimpfen, an den Händen all jener, die Gutmenschen als Schimpfwort verwenden, und nicht zuletzt auch an den Händen einer ganzer Reihe von Politikern aus den etablierten Parteien, die der Meinung sind, mit rechtspopulistischer Rhetorik auf Stimmenfang gehen zu müssen. Ja, auch Seehofer, de Maizière, Söder und co. tragen eine Mitschuld. Zugegeben, sie schleppen keinen Galgen mit sich rum, wer allerdings breiten Teilen des Flüchtlingsstroms, der momentan nach Deutschland kommt, generell unterstellt, dass sie das Asylsystem nur missbrauchen, wer mit absurden Drohungen versucht, Flüchtlinge generell an den Außengrenzen abzuweisen, und das dann als Notwehr verkauft, der schafft ein politisches Klima, in dem PEGIDA, AfD und co. zusehends legitimiert werden. Glückwunsch, meine Damen und Herren. Ich hoffe, ihr seid mit dem Klima zufrieden, dass ihr hier geschaffen habt. 
Eigentlich bräuchte mich der ganze Scheiß, der in dieser Richtung gerade in Deutschland abgeht, ja nicht interessieren, ich bin ja schließlich 2012 aus beruflichen Gründen nach Irland ausgewandert (richtig, ich bin einer dieser Wirtschaftsflüchtlinge!). Und ja, es ist ermüdend, und einfach zum Kotzen, immer wieder zu sehen, wie immer mehr Leute die Geschichte unseres Landes als Lehrbuch sehen, und nicht als abschreckendes Beispiel. Genug Gründe also, das ganze Geschehen zu ignorieren. Nun ist es jedoch leider so, das Deutschland momentan das wirtschaftliche und politische Zentrum der EU ist, und Veränderungen des Politischen Klimas in Deutschland sich zwangsläufig in der ganzen EU auswirken. Die Folgen eines weiteren Rechtsrucks in der deutschen Politik wären also auch hier in Irland deutlich zu spüren. Es ist also unerlässlich, dass die Menschlichkeit das oberste Leitmotiv der Politik in Deutschland ist, und bleibt, und das Menschen, wie die tausenden Freiwilligen, die im ganzen Land unglaubliches leisten, um die Flüchtlinge halbwegs menschenwürdig zu empfangen, dafür nicht beleidigt und angegriffen werden, und diejenigen, die für eine derartige menschliche Gesellschaft eintreten, nicht mundtot gemacht werden. Sollte dies nicht gelingen, werden die Folgen für ganz Europa katastrophal werden.

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