Gute Presse, Schlechte Presse - Die Erdogan-Soap

Leute, ich sag’s euch. Wenn ich mir so anschaue, wie verlässlich momentan neue Satirevorlagen aus Ankara geliefert werden, ist es wirklich gut, das ich angefangen habe, Werbung auf meinem Blog zu schalten. Schließlich muss ich ja einen neuen Autor bezahlen. Ernsthaft, was der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan momentan an Material raushaut, hätten Dieter Hildebrandt und Harald Schmidt zu ihren besten Zeiten nicht geschafft, dass ist echte humoristische Qualitätsarbeit! Nicht nur dass er ständig neue Vorlagen für Extra 3, Heute Show, oder Jan Böhmermanns Kalte-Füße-Magazin Royale raushaut, dass man aus dem lachen nicht mehr rauskommt, nein, auch für’s Herz ist was dabei. Offenbar ist Erdogan dabei, die Männerfreundschaft zu Martin Erdmann, dem Deutschen Botschafter in Ankara, voranzutreiben. Ernsthaft.
Wie der Spiegel in seiner Online-Ausgabe berichtet, wurde Botschafter Erdmann dieses Jahr bereits mehrfach unter fadenscheinigen Vorwänden einbestellt. Es ging da um die Behandlung des armenischen Genozids durch die Türkei in Lehrmaterialien in Sachsen-Anhalt, und, nach der bekannten Extra3-Affäre zusätzlich auch noch um die Teilnahme Erdmanns an der Eröffnung des Prozesses gegen zwei Journalisten der Zeitung Cumhüriyet. Diese waren ins Visier geraten, nachdem sie Informationen über Waffenlieferungen der türkischen Regierung an die Weltuntergangssekte Daesh ans Tageslicht gefördert hatten.
Botschafter Erdmann war zusammen mit anderen ausländischen Diplomaten zum Prozessauftakt anwesend gewesen. Immerhin will die Türkei ja in die EU, und da ist es wichtig, dass die 4. Gewalt in jedem Beitrittsland möglichst frei ist. Da gab es ja in letzter Zeit einigen Grund zur Sorge, von Spiegel-Reportern, die von der Polizei bis zum Flughafen eskortiert wurden, bis hin zu Redaktionen, die einfach so gestürmt werden. Doch ist das alles wirklich so ernst? Immerhin hat Erdogan ja gerade auf CNN gesagt, das er keine Probleme mit der Pressefreiheit hat, und auch mit Satire nicht. Das lässt die Vorladungen von Erdmann wiederum in einem neuen Licht erscheinen. Offenbar ist der Casanova von Ankara mittlerweile wirklich zu einer direkteren Vorgehensweise übergegangen, ich bin gespannt, wann die ersten Bilder von Erdogan und Erdmann beim gemeinsamen Einkauf von Möbeln für die gemeinsame Wohnung auftauchen. 
Doch während Erdogans privates Glück in Ankara gerade zu sprießen beginnt, tauchen auch schon die ersten Nebenbuhler auf, und ich frage mich mittlerweile, ob ich bei “Ankara Tag und Nacht” gelandet bin. Der erste Kandidat im munteren Daily-Soap-Reigen ist Hüseyin Avni Karslioglu, seines Zeichens Türkischer Botschafter in Berlin. Er behauptet, als Reaktion auf die ganze Satiregeschichte um Erdogan wären in der Botschaft an einem Tag hunderte von Telefonaten eingegangen, in denen Bürger, sowohl deutsche als auch türkische, ihre verletzten Gefühle zum Ausdruck gebracht hätten. Der Botschafter sagte laut dem Stern sogar, er hätte diese selbst entgegengenommen. Ich frage mich ernsthaft, wie er das geschafft haben soll, nicht zuletzt, da ich selbst schon in der Telefonie gearbeitet habe. Mehr als 100-120 Calls an einem 8-Stunden-Tag sind selbst in “anspruchslosen” Rollen eine Obergrenze. Ist die Geschichte des Botschafters in Berlin also einfach eine heillose Übertreibung, um das junge Glück in Ankara zu sprengen?
Und dann ist da natürlich immer noch ein gewisser Barack O aus W. Noch vor kurzem war unser aller Lieblingsministerpäsident bei Barack zu Besuch, und auch vorher schien es zwischen den beiden ganz gut zu laufen. Keine große Liebe, aber ein solides Verhältnis. Und jetzt? Ausgerechnet dieser Barack lässt aus einmal aus heiterem Himmel verlauten, er sei “beunruhigt” darüber, wie die Dinge in der Türkei laufen, und dass das Land auf einen Weg kommen könnte, der besorgniserregend wäre. Was für ein Interesse hat dieser erfolgreiche Familienvater aus den USA daran, die sich anbahnende Beziehung zwischen Erdmann und Erdogan zu sabotieren? Mehr nach der Werbung bei “Gute Presse, Schlechte Presse!”
Man sieht also, der Sultan von Ankara ist wieder schwer beschäftigt, und zeigt immer wieder, wie man mit Satire und Kritik nicht umgehen sollte. Während seine Leibwächter in Washington Taktiken anwenden, wie ich sie seit meinen Kindergartentagen nicht mehr gesehen habe (alles, was ich nicht in Grund und Boden schreien kann, wird zusammengeschlagen), lügt sich Recep Tayyip Erdogan  bei der CNN-Sendung Amanpour die Welt zurecht. Schlimmer als das selbstgerechte Verhalten dieses Möchtegern-Despoten ist nur das Schweigen hoher Regierungsmitglieder zu der Affäre. In so einem Fall reicht es halt nicht aus, dass irgendwelche Pressesprecher die Sache klarstellen, hier müsste Angela Merkel selbst Klartext reden, aber offenbar hat sie ihr ganzes Rückgrat während des Höhepunkts der Flüchtlingskrise im Sommer verbraucht. Ihr Verhalten damals, als sie als eine der wenigen Europäischen Spitzenpolitiker nicht in den bequemen, selbstgefälligen Wohlstandsrassismus verfallen ist, verdient nach wie vor Hochachtung!
Wir sollten aber als deutsche nicht allzu sehr die Klappe aufreißen, und einen auf Lehrmeister machen. Westentaschendiktatoren vom Schlage eines Erdogan gibt es hier genug. Gerade im Süden Landes gibt es eine Gruppierung, die westliche Werte wie Toleranz, Solidarität, oder Aufklärung regelmäßig mit Füßen tritt, und auch zur Pressefreiheit ein gespaltenes Verhältnis hat. Die Rede ist natürlich von der CSU und ihrem Parteiführer Horst Seehofer, einem Mann, der zeigt, wie Erdogan, ohne Charisma, Durchsetzungsvermögen oder Kompetenz aussehen würde. 
Viel schlimmer sind jedoch die ganzen Mini-Sultane, die man in ganz Deutschland in Gemeinderäten, Stadträten, etc. findet. Auch dort ist es oftmals so, dass sich bestimmte Individuen eingenistet haben, die ihre Kritiker mit allen Mitteln mundtot machen, und am liebsten ihre ganzen Aktivitäten vor dem Wähler verheimlichen wollen. Um es ganz klar zu sagen, wer sich dagegen ausspricht, das Stadt-, oder Gemeinderatssitzungen live gestreamt werden, wer sich weigert, mit der Presse zu sprechen, und Journalisten anschnauzt, was sie sich denn überhaupt einbilden, Fragen zu stellen, der zeigt vor allem eins: seine eigene Unfähigkeit, und seinen mangelnden Respekt gegenüber den Wählern, und der Demokratie.
Ich gebe zu, dass manche Journalisten genauso schleimige Arschlöcher (wir wollen ja geschlechtsneutral bleiben!) sind, wie die bereits angesprochenen Politiker, dazu muss man sich nur einmal die Bild oder einige Mitarbeiter der FAZ anschauen, und es gibt mit Sicherheit auch einiges, was in der deutschen Presselandschaft verbesserungswürdig ist. Es ist und bleibt aber Fakt, dass eine freie Presse, so verbesserungswürdig sie auch sein mag, das einzige Frühwarnsystem eines Staates gegen diktatorische Anwandlungen der Regierenden sind. Wer ein solches Frühwarnsystem demontieren will, der zeigt ganz klar sein wahres Gesicht!

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