Ein feindseliger Akt - Gedanken zum "Urteil" der EU-Kommission im Fall Apple

Ich werde mit mit diesem Artikel mit Sicherheit keine Freunde machen, vor allem nicht unter den selbsternannten Intellektuellen, aber das ist mir gerade einmal so was von egal. Worum es geht? Um das “Urteil” der Europäischen Kommission vom 3. September 2016, dass Apple angeblich illegale Steuervorteile in Irland genutzt hätte, um über einen Zeitraum von 20 Jahren Unternehmenssteuern in Höhe von 13 Milliarden Euro zu unterschlagen. Ich muss wohl nicht erwähnen, wie die Horden von Apple-Bashern, Pseudo-Intellektuellen, “Linken”, etc. auf diese Urteil reagiert haben. Ich kann gar nicht so viel essen wie ich kotzen könnte bei der Verlogenheit und, so viel sei schon mal vorweg gesagt, unterstütze die Pläne der Regierung um Enda Kenny und von Apple, gegen dieses Urteil vorzugehen. Es ist in meinen Augen ungerecht, von der rechtlichen Grundlage her fragwürdig, und greift das wirtschaftliche Fundament Irlands in einer Art an, dass man hier schon von einem feindseligen Akt sprechen kann!
Starke Worte, ich weiß. Ich habe mich aber bewusst für eine starke Formulierung entschieden. Bevor ich aber weiter fortfahre muss ich hier der Fairness halber darauf hinweisen, dass ich selber ehemaliger Apple-Mitarbeiter bin, und nach wie vor in Besitz eines kleinen aber ansehnlichen Aktienpakets bin. Mein Beschäftigungsverhältnis ging im Februar 2016 unter, nun ja, nicht gerade rühmlichen Rahmenbedingungen, nach dreieinhalb Jahren zu Ende. Und auch wenn ich aufgrund der Art, Apple und ich auseinandergegangen sind jedes Recht hätte, schlecht auf die Firma zu sprechen zu sein, so führt für mich kein Weg daran vorbei, in dieser Sache voll hinter Apple, und Irland, zu stehen. 
Warum nun diesen harten Worte? Nun, Auch wenn die EU immer mehr in Richtung einer engeren Union zwischen den Mitgliedsstaaten steuert, eine Richtung, die ich wiederum voll unterstütze, so galten Unternehmenssteuern doch lange Zeit als hoheitliches Recht der Mitgliedsstaaten. In keinem der EU-Verträge ist festgelegt, dass die EU oder eine ihrer Institutionen das Recht hat, in die Steuerpolitik ihrer Mitgliedsländer einzugreifen. Dieses Prinzip wurde über Jahre und Jahrzehnte respektiert, und das zurecht. Schließlich gibt es für Länder ohne Bodenschätze, eine gut entwickelte industrielle Basis, oder enge wirtschaftliche Verbindungen zu ehemaligen Kolonien kaum eine andere Möglichkeit, Unternehmen, und somit Arbeitsplätze ins Land zu locken.
Irland ist eines dieser Länder. Über Jahrzehnte hinweg war Irland ein verarmtes, verwahrlostes Land an der äußersten westlichen Peripherie Europas. Es verfügte kaum über nennenswerte Schwerindustrie, die wenigen derartigen Anlagen waren alle im Großraum Cork angesiedelt, und außer Torf, und Landwirtschaft auch kaum über nennenswerte Bodenschätze. Auch wenn seit der Unabhängigkeit immer wieder versucht worden war, ausländische Großkonzerne ins Land zu holen, gab es nie eine längerfristige Strategie dafür. Dies änderte sich, als Charles Haughey 1987 zum dritten und letzten Mal zum Taoiseach gewählt wurde. Obwohl Haughey und seine Partei Fianna Fáil nur eine Minderheitsregierung bildeten, war es ihm mit Unterstützung der größten Oppositionspartei Fine Gael möglich, eine radikale Reform der Unternehmenssteuern durchzudrücken, die den Grundstein für Irlands wirtschaftlichen Erfolg in den 1990ern und im 21. Jahrhundert darstellte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ein amerikanischer Computerhersteller bereits seit einigen Jahren eine Fabrik im Corker Stadtteil Knocknaheeny in Betrieb, und sogar schon mehrfach erweitert. Diese kleine Fabrikhalle bildet unter der Bezeichnung Hollyhill 1 bis heute einen Teil des Apple-Campus in Cork.
Im Bildhintergrund ist Gebäude 4, das neueste Gebäude auf dem Apple-Campus zu sehen.  Ein weiteres, fast baugleiches, soll demnächst dahinter entstehen. 
Gebäude 3 auf dem Apple-Campus in Cork. Auch wenn man es ihm nicht mehr ansieht, dieser Teil wurde 1996 eröffnet, damals noch als Fabrik. Die Klimaanlage da drinnen ist heute noch ein Beleg dafür...
Die Präsenz von Apple in Hollyhill ist seit 1980 historisch gewachsen, auch wenn es nicht immer einfach war. So stand Apple 1996, kurz nach der Fertigstellung der heutigen Gebäude Hollyhill 2 und 3 (Hollyhill 3 war jahrelang mein Arbeitsplatz) kurz vor dem aus, die Firma hatte über Jahre hinweg durch eine inkonsistente Produktpolitik massiv Kunden verloren. Einzig und allein die Umwandlung großer Teile der Fabrik in Knocknaheeny in ein Call Center und einen Verwaltungskomplex rettete Apple’s Präsenz, und damit hunderte Arbeitsplätze in Cork, einer Stadt die in den Jahren zuvor mit der Schließung der Ford-Werke, des Stahlwerks in Haulbowline, der Schiffswerft in Rushbrooke, der Dunlop-Reifenwerke, der Coca-Cola-Fabrik, sowie einiger Textilfabriken innerhalb knapp eines Jahrzehnts praktisch ihre komplette industrielle Basis verloren hatte. Aus Irischer Sicht war es daher essentiell, Computerunternehmen wie Apple im Land zu halten. Wenn dazu ein “besonderer” Steuerdeal für internationale Unternehmen wie Apple, Intel, oder Dell erforderlich war, dann war man in Irland bereit, dies in Kauf zu nehmen. Eine der damals jungen Führungskräfte, welche die Umwandlung des Standorts Cork befürwortet und durchgedrückt haben, war übrigens ein gewisser Tim Cook.
Dies ist nun der Deal der von der EU-Kommission, genauer gesagt von Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager als angeblich illegal bezeichnet wurde. Angeblich stelle dies eine Wettbewerbsverzerrung dar, und würde andere Länder um jede Steuergelder betrügen, auf die sie Anspruch hätten. Nun, wenn diese Länder es erlauben, dass man Gewinne so einfach außer Landes bringt, dann ist dies erst einmal ein Problem der jeweiligen Länder, und kein Problem Irlands. Aus Apple’s Sicht wiederum ist die Reduzierung der Steuerlast einfach nur normales Geschäftsgebahren, jedes Privatunternehmen achtet darauf, seine Verbindlichkeiten, und dazu gehören auch Steuern, so gering wie möglich zu halten, oder sollte es zumindest, wenn es überleben will.
Und ganz offen, Steuern, so gerne sie auch von “Intellektuellen”, “Kapitalismuskritiern”, “Linken”, und anderen “alternativen” Gestalten als Allheilmittel gepriesen werden, sind alles andere als eine Universallösung. In meinen Augen sind Einkommenssteuern und Sozialbeiträge ein viel wichtigeres Indiz dafür, wie verantwortungsvoll ein Unternehmen vorgeht. Und was dies angeht, muss man sich einfach mal die Fakten zu Apple in Irland, und Europa, anschauen. In Irland hat Apple mittlerweile fast 6000 Mitarbeiter. Die meisten davon verteilen sich über den Apple-Campus in Knocknaheeny, die Büros in der Half Moon Street, Ecke Lavitt’s Quay in der Innenstadt von Cork, sowie den Standort an der Model Farm Road im Westen des Stadtgebiets. Weitere sind als At-Home-Advisor über ganz Irland verteilt. Dazu kommen allein in Cork hunderte an Mitarbeitern bei Zulieferern, von Sicherheitsunternehmen bis hin zu Pat O’Connell, einem Fischhändler im English Market. Wenn man jetzt noch die diversen Apple Stores in Europa, die diversen Reparaturzentren, Logistikzentren und die diversen App-Entwickler in Betracht zieht, dann wirkt die Zahl von 1,5 Millionen Arbeitsplätzen, die in Europa von Apple abhängen auf einmal gar nicht mehr so abwegig. 
Das Bürogebäude Lavitt's Quay/Half Moon Street (links im Bild) ist ebenfalls hauptsächlich durch Apple belegt.
Offenbar sind Frau Vestager diese Arbeitsplätze aber scheißegal. Wenn man sich einmal anschaut, wie die “Dame” seit ihrem Amtsantritt 2014 vorgeht, dann wird einem doch ganz anders. 2015 hat sie die Schließung von Cyprus Airways aufgrund angeblich illegaler Staatsbeihilfen erzwungen, und somit 550 Arbeitsplätze vernichtet, zu einem Zeitpunkt, als die Wirtschaft Zyperns so oder so schon am Boden lag, die Dame greift Infrastrukturprojekte in Spanien an, die im Gegensatz zu den berüchtigten Geisterflughäfen des Landes sogar Sinn machen würden, winkt jedoch gleichzeitig Mega-Deals wie den Zusammenschluss von General Electric und Alstom durch, und verweigert im Prozess um die Luxleaks die Aussage. Auch in ihrer Heimat Dänemark hat Frau Vestager eine Spur der Verwüstung hinterlassen, und drakonische Einschnitte in den Sozialsystemen zu verantworten. Vor allem eines ist aber auffällig.
Fast alle Ziele von Frau Vestager “Eifer” sind US-Konzerne, die einzigen europäischen Firmen, die offenbar im Fadenkreuz sind, sind Fiat und Gazprom. Noch auffälliger ist, dass es sich fast ausschließlich um IT-Konzerne handelt, so neben Apple z.B. Google oder Amazon. Nun kann man über die Steuerpraxis dieser Unternehmen sicher reden, diese extra derart an den Pranger zu stellen, ist jedoch kontraproduktiv, vor allem wenn man bedenkt, dass die Mitarbeiter dieser Unternehmen im Zuge der von Brüssel ausgerufenen Hexenjagd quasi in Geiselhaft genommen werden. Nicht das dies in Brüssel, oder Berlin jemanden stören würde, längst geht es hier doch nicht mehr um die Steuern, sondern ums Prinzip. Mit dem extrem harten Vorgehen gegen IT-Unternehmen versucht Europa zu verschleiern, dass der Kontinent, allem voran aber Länder wie Deutschland, im IT-Bereich über mittlerweile fast zwei Jahrzehnte komplett VERSAGT hat. Anstatt aber jetzt die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Privatunternehmen aus Europa zumindest in der nächsten Generation der Technologie-Startups vorne mitmischen können, setzt man in Brüssel mit Günther Öttinger auf einen Technologiekommissar, bei dem es sogar noch ein Kompliment wäre, ihn als vollkommen inkompetent zu bezeichnen. Es werden von der EU große Initiativen für eine eigene Suchmaschine gestartet, die dann sang-, und klanglos in der Versenkung verschwinden. Auf die Idee, bessere Bedingungen für Startups zu schaffen, eine Kultur zu fördern, in der auch das Scheitern einer Geschäftsidee nicht gleich als Schande, sondern als Chance begriffen wird, oder den Zugang zu Start-, bzw. Venturekapital zu erleichtern, kommt dabei aber keiner. Ist wohl zu amerikanisch.
Stattdessen werden US-IT-Konzerne durch die Bank verteufelt, dämonisiert, und als die Ausgeburt des Bösen dargestellt. Dabei geht es nicht nur um die Steuerthematik. Auch der "Datenschutz" wird ausgegraben, und bestimmte IT-Konzerne quasi als "Ende der Privatsphäre" an den Pranger gestellt. Nun ja, wenn ich mir die Vorratsdatenspeicherung, den Adresshandel und ähnliche unsaubere Praktiken hier in Europa so anschaue, sollten wir uns hüten, hier das Maul allzu weit aufzureißen, wir sind nämlich keinen Deut besser. Ganz im Gegenteil. Bei Google, Facebook, etc., weiß man wenigstens von vornherein, woran man ist. Das sind Unternehmen, deren Ziel eine möglichst hohe Gewinnmarge ist, und dementsprechend werden die Daten auch eingesetzt. Jeder, dessen Bildungsniveau auch nur einen Micron über RTL II oder Bild hinausgeht, sollte in der Lage sein, dies zu raffen. Bei staatlichen Einrichtungen ist dies jedoch alles andere als klar, und es kann durchaus sein, dass alle Daten, die dort vorliegen, aus ideologischen Gründen gegen einen verwendet werden. Die unrühmlichen Vorgänge in der Rigaer Straße in Berlin, als auf einmal persönliche Daten von linksautonomen Aktivisten aus Beständen der Polizei und Justiz auf einer Neonazi-Webseite auftauchten, zeigt dies dramatisch. Es zeigt auch, dass deutsche Justizbehörden nach wie vor auf dem rechten Auge blind sind, dies ist aber ein anderes Thema. Facebook, Google, Twitter, etc. geht es hingegen nur um Profit, und das ist mir um einiges lieber. 
Ich kann nur hoffen, das sowohl Irland als auch Apple in dieser Sache standhaft bleiben, und den Vollpfosten in Brüssel zeigen, wie verlogen diese eigentlich sind. Einen der wichtigsten Arbeitgeber in einem kleinen Land ohne nennenswerte Bodenschätze derart anzugreifen ist auf jeden Fall absolut schäbig, und ich kann nur hoffen, das ich Frau Vestager und ihren Gefolgsleuten niemals begegne, und dass sich diese Gestalten auch niemals hier in Irland blicken lassen!

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