Unverhofft kommt oft - Review Sonos Play:3

Tja, der Titel dieses Blogposts ist Programm. Es gibt eine ganze Reihe an Produkten die mein Interesse als Tech-Geek wecken. Drohnen, Smart-Home-Systeme, Kameras, Tablets, und so weiter. Was bisher nicht dazu gehörte waren die sogenannten Connected Speakers, Lautsprecher, die über WLAN oder Ethernet direkt auf Streaming-Dienste wie Spotify, Deezer, oder Apple Music zugreifen. Die Technik ist sicherlich faszinierend, aber Musik-Streaming war für mich lange kein Thema. Und selbst als ich mich dann zuerst für Spotify und dann später für Apple Music zu interessieren begann, war meine Musikalische Tellermine, der B&O Play A1 von Bang & Olufsen, voll und ganz ausreichend. 

Bis heute. 

Da ich im Vertrieb tätig bin, versucht mein Arbeitgeber einiges, um das „telefonierende Volk“ dazu anzuhalten, mehr und größere, Deals an Land zu ziehen. Dazu zählen auch regelmäßige Wettbewerbe, bei denen die Top-Performer mit teilweise recht ansehnlichen Preisen beschenkt werden. Ich muss hier gestehen, dass mein Gehirn bei derartigen Aufforderungen gleich auf Durchzug schaltet. Ich mache meinen Job, und wenn dabei ein paar gute Deals rumkommen umso besser, ich lege da aber keinen allzu großen Fokus drauf. Dieses mal habe ich mich jedoch überraschenderweise auf einem der Top-Plätze wiedergefunden, was dazu führte, dass auf einmal eine klobige und überraschend schwere Schachtel in Form eines Sonos Play:3 auf meinem Schreibtisch stand. Hey, einem geschenkten Gaul schaut man nicht in’s Maul, und wenn man schon mal so etwas hat, dann kann man es auch testen. Dies gilt umso mehr, als dass selbst mir als Streaming-Spätzünder der Ruf der Lautpsrecherschmiede aus dem kalifornischen Santa Barbara durchaus bekannt ist.

Der Sonos Play:3 ist beileibe kein neues Produkt. Er kam ursprünglich im Juli 2011 auf den Markt, und wird seitdem von Sonos kontinuierlich mit Updates versorgt, gehört also noch lange nicht zum alten Eisen. Beim Design hat man auf Understatement gesetzt. Der Play:3 wird in Anthrazit und Weiß angeboten, und das äußere ist in beiden Varianten schlicht gehalten. Mit 13,2 x 26,8 x 16cm ist der Lautsprecher überraschend groß, wenn man ihn das erste mal sieht. Trotz seines Kunststoffgehäuses wirkt der Play:3 sehr solide, was nicht zuletzt auch an seinem hohen Gewicht von 2,6 Kilo liegt. Es ist also definitiv kein Lautsprecher, den man zwecks Musikalischer Untermalung mit in den Park nimmt.
Spartanisch, praktisch, gut. Besser kann man das Äußere des Sonos Play:3 nicht beschreiben.

Quickstart-Guide, Stromkabel, und Netzwerkkabel. Üppig ist das mitgelieferte Zubehör nicht, es ist aber alles dabei, was man braucht.

Das Innenleben des Play:3 besteht aus 3 Klasse-D-Verstärkern, einem Hochtöner, zwei Mitteltönern, sowie einem nach hinten abstrahlenden passiven Bass. Dazu kommt natürlich die nötige Hardware, um direkt auf Streaming-Dienste zugreifen zu können, sich mit anderen Sonos-Produkten zu einem System zusammenzuschalten, und so weiter. Achja, ein Gyroskop ist auch verbaut, der Play:3 passt also seine Wiedergabe entsprechend an, je nachdem, ob er hochkant, oder horizontal aufgestellt ist. In Anbetracht dieser Ausstattung erscheint das „Interface“ direkt auf dem Gerät geradezu minimalistisch. Es gibt eine LED und vier Knöpfe. Das war’s. Mit Anschlüssen sieht es ähnlich dürftig aus. Auf der Rückseite gibt es den Anschluss für das Stromkabel, einen Ethernet-Port, und eine Montierung, um den Lautsprecher je nach Bedarf an die Wand zu stellen, oder auf einem Ständer aufzuspießen. 
Das ist alles an Schaltern, was man auf dem Play:3 finden wird. Der Rest läuft über die App.

Auf der Rückseite sieht es ähnlich spartanisch aus. Gewinde für Ständer, Stromanschluss, Ethernet-Port. Das war's.

Der Hintergrund für diesen Minimalismus wird schnell klar. Die Einrichtung des Sonos Play:3 erfolgt ausschließlich über die Smartphone-App. Die Einrichtung an sich ist kinderleicht. Man schließt den Lautsprecher an den Strom an, wenn man will kann man auch ein Ethernet-Kabel für die Netzwerkverbindung einstecken, die Einrichtung funktioniert aber über WLAN genau so gut. Nach dem Einstecken reicht es dann aus, die App zu starten, und den dort beschriebenen Schritten zu folgen. Achtung! Es wird ein Sonos-Account für die Nutzung benötigt. Dieser lässt sich aber recht schnell und problemlos einrichten. 
Eine Besonderheit des Einrichtungsprozesses ist, dass der Lautsprecher „gestimmt“, oder eingemessen werden kann, um sich den akustischen Besonderheiten des Standorts anpassen zu können. Man kann dies sowohl während der Einrichtung, als auch später machen. Die App führt einen wiederum Schritt für Schritt durch den Vorgang, der ca. drei Minuten dauert. Im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass der Play:3 eine Reihe von lauten „Messtönen“ abspielt, die klingen, als ob sie aus einem drittklassigen Half-Life-Klon stammen, während man mit dem Smartphone durch den jeweiligen Raum geht, damit die App die Variationen im Klangbild aufzeichnen kann. Wie gesagt, nicht besonders aufwändig, man muss sich nur mit der Tatsache anfreunden, dass man aussieht, als würde man mit dem Smartphone einen Exorzismus durchführen („Weiche, Windows Phone!!!!“). Ich habe jetzt aber zugegebenermaßen keinen Vorher-Nachher-Test durchgeführt.

Die App ist auch der Dreh-, und Angelpunkt des ganzen Systems. Neben der Einrichtung erfolgt auch die komplette Steuerung darüber. Wichtig für Apple-Nutzer: Der Play:3 ist NICHT AirPlay-2-kompatibel. Laut Aussage von Sonos ist die Elektronik im inneren dafür einfach nicht leistungsfähig genug. In Anbetracht der Tatsache, dass das ursprüngliche Design mittlerweile fast sieben Jahre auf dem Buckel hat, ist diese Begründung in meinen Augen absolut nachvollziehbar. Aber auch ohne Airplay gibt sich der Play:3 keine Blöße. Die Steuerung via App, auch über mehrere Geräte, ist absolut problemlos, und butterweich. Verzögerung? Stottern? Latenz? Fehlanzeige nach meiner Erfahrung, dank der Tatsache, dass die Wiedergabe ausschließlich über WLAN erfolgt. Das heißt auch, dass man die Lautstärke bis zum Anschlag aufdrehen kann, ohne das einem die Ohren wegfliegen, wenn eine SMS oder Email reinkommt. Einige der Besonderheiten des Sonos-Welt bleiben mir momentan verschlossen, da ich im Augenblick nur diesen einen Lautpsrecher habe. Seine volle Stärke soll das Sonos-Ökosystem nämlich erst ausspielen können, wenn mehrere Lautsprecher zusammenarbeiten. Hey, was nicht ist, kann ja noch werden.
Das Interface der iOS-App ist aufgeräumt und minimalistisch. Gerade auch auf dem iPad.

Wer sich nicht durch diverse Menüs klicken will, kann auf der Seite My Sonos seine beliebtesten Playlists, Künstler, Alben, oder Radiosender selbst zusammenstellen. Unabhängig davon, aus welchem Dienst diese stammen.

Sämtliche Einstellungen werden über die App vorgenommen. 

Expansionspläne beiseite, wo der Lautsprecher richtig überzeugt ist beim Klang. Wow! Der Klang ist praktisch im kompletten Spektrum kristallklar, und zwar unabhängig von der Lautstärke. Insbesondere der Bass ist beeindruckend. Er verdient wirklich seinen Namen. Bei niedrigen Lautstärken ist er schön betont, und bei voller Lautstärke kann es schon mal sein, dass bei den Nachbarn unter einem der Putz von der Decke bröselt. Bei Gebäuden der Qualitätsklasse „Celtic Tiger“ können bleibende strukturelle Schäden leider nicht ausgeschlossen werden, also Vorsicht. Die Höhen leiden manchmal unter dieser Basslastigkeit, generell ist der Klang jedoch recht ausgewogen. Der einzige wirkliche Wehrmutstropfen tritt bei älteren Stücken, insbesondere bei Jazznummern auf. Diese wirken oftmals etwas „flach“ und seltsam kraftlos, was aber auch am verwendeten Aufnahmeverfahren liegen kann. Ansonsten ist der Klang aber sehr gut abgerundet. 
Die Desktop-App unter OS X ist etwas enttäuschend, und wirkt noch ziemlich altbacken, fast so, als wäre sie seit der Zeit, als der Play:3 vorgestellt wurde, nicht mehr groß aktualisiert worden.

Als Connected Speaker ist der Sonos Play:3 naturgemäß auf Streaming-Dienste und Webradios angewiesen, und auch hier ist die Auswahl beeindruckend. Über 80 Streaming-Dienste sind enthalten, von Apple Music über Deezer, Google Play Music, Spotify bis hin zu Jay-Z’s Ego-Projekt Tidal sind praktisch alle wichtigen Anbieter verfügbar. Ich selbst bin mit Apple Music, sowie dem kostenfreien Angebot von Spotify noch recht bescheiden unterwegs. Zusätzlich zu diesen Anbietern stehen auch noch hunderte an Webradio-Streams zur Verfügung, darunter auch Sender aus meiner Vergangenheit, wie NDR 2, HR3, oder Ö3 aus Österreich. Die Qualität ist auch hier gut, oder zumindest so gut es bei den Quellen geht. Das die Musik, die diese Sender spielen, mittlerweile unter aller Sau ist, liegt außerhalb der Korrekturmöglichkeit des Play:3. Ernsthaft, wann ist die Musik so Scheiße geworden?
Amateur-Medienkritik und „Früher-war-alles-besser“-Polemik beiseite kann sich der Play:3 durchaus sehen lassen. Bei dem Preis kann man auf jeden Fall nichts falsch machen. Badumm-tsss 
Okay, ernsthaft. Langsam kann ich den guten Ruf von Sonos nachvollziehen. Der Klang des Lautsprechers ist beeindruckend, die Einrichtung und die Bedienung sind kinderleicht und einwandfrei. Nur die OS-X-App wirkt etwas altbacken, macht aber ebenso was sie soll. Ebenso wichtig ist die Tatsache, dass der Play:3 Kein Smart Speaker ist. Alexa und Google Assistant funktionieren da nicht, von Siri reden wir erstmal gar nicht. Das heißt auch, dass es keine Mikrofone gibt, die einen abhören können. Das macht nach wie vor das Smartphone. Und das Tablet. Und die Uhr. Und die Sicherheitskamera. Ich glaub ich werde paranoid.
Zurück zum Thema. In einer Zeit, in der die Smartphones spätestens alle zwei Jahre gewechselt werden, und auch einige Lautsprecherhersteller zu saisonal wechselnden Kollektionen neigen (Ja, ich meine euch, Bang & Olufsen!) mag ein sieben Jahre altes Modell etwas konterintuitiv oder gar anachronistisch wirken. Gerade der Sonos Play:3 zeigt aber, dass dies durchaus funktioniert, nicht zuletzt wenn das Konzept durchdacht, und die Klangqualität gut ist. Für mich steht fest, dass es nicht mein letztes Sonos-Produkt bleiben wird. Ein Play:1 für das Schlafzimmer ist schon fest im Investitionsplan vorgesehen.

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