Das gehört ad ACTA gelegt! - Anti-ACTA-Demo in Frankfurt

Eins muss man den Amis ja lassen, Gesetzesinitiativen und Internationale Abkommen, die unter ihrerÄgide entstehen tragen meist kurze und Prägnante Namen. SOLAS, SOPA, ACTA, das kann man sich wirklich gut merken. Wenn man sich dagegen die Namen Deutscher Gesetze anschaut, wie z.B. das Zugangserschwerungsgesetz, oder, aus einem anderen Bereich, das Bilanzrichtlinienmodernisierungsgesetz, dann überkommt einen allein schon beim Namen das kalte Grausen. Zu unfair will ich aber auch nicht sein, schließlich hat gerade der letzte Gesetzesname die Ehre, das längste Wort zu sein, das jemals auf meinem Blog aufgetaucht ist ;-)
Aber ernsthaft, auch wenn der Name des Gesetzentwurfs noch so kurz und prägnant ist, das was mit ACTA versucht wird, ist und bleibt eine bodenlose Frechheit. Selbst wenn, wie die Befürworter behaupten, die Auswirkungen auf die aktuelle Deutsche Rechtslage minimal wären, so bleibt trotzdem noch der massive Makel, das dieses Abkommen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, und auch der Nationalen Entscheidungsträger (Parlamente) festgenagelt wurde, und nun getreu dem Motto "Friss oder Stirb" den Parlamenten vor die Füße geknallt wird.
Es gibt also genug Gründe, um ACTA abzulehnen, auch wenn das mit diesem Abkommen angestrebte Ziel, nämlich ein ausgewogenes Internationales "Spielfeld" im Bezug auf die Bekämpfung von Produktpiraterie zu schaffen, durchaus verständlich und notwendig ist! Diese Gründe waren es wohl auch, die für die Regierungen Polens, Tschechiens und Lettlands ausschlaggebend waren, die Unterzeichnung von ACTA auszusetzen. Bezeichnenderweise haben sich damit ausgerechnet die Länder quer gestellt, die maßgeblich am Fall des Ostblocks beteiligt waren, die Heimatländer der Solidarnosc und der Samtenen Revolution.
Noch während die Bundesregierung hoffte, dieses Gesetz durchwinken zu können, organisierte sich, nicht zuletzt durch die Weigerungen in Polen, Tschechien und Lettland beflügelt, in Deutschland eine breite Protestfront, die Parteiübergreifend mal mehr (Piraten) mal weniger (Linkspartei) glaubwürdig die breiten Eingriffe, die ACTA in die Privatsphäre der Bürger mit sich bringen würde. Und obwohl die Ratifizierung des Abkommens durch die Bunderegierung am Freitag Nachmittag noch überraschend auf Eis gelegt wurde (passt ja zum Wetter), waren die europaweiten Demonstrationen am 11.02.2012 nicht mehr aufzuhalten.
Tja, und das heißt nun auch für mich "ab zur Demo!" Ich muss dazu sagen, das ich eigentlich ein sehr bequemer Mensch bin, der es eher ruhig angehen lässt und versucht, Konflikte großräumig zu umschiffen. Wenn ich also auf 'ner Demo auftauche, dann muss mir schon etwas gewaltig gegen die Hutschnur gehen!

Gegen 14:32 komm ich am vereinbarten Treffpunkt auf der Kaiserstraße gegenüber dem Frankfurter Hauptbahnhof, dem sogenannten "Kaisersack" (Kein Kommentar!) an. Es haben sich zwar schon ein paar hundert Gestalten versammelt, unter ihnen auch mehrere mit den berühmten Guy-Fawkes-Masken, aber wirklich berauschend ist es nicht. Es dominieren noch die üblichen Figuren in diesem Teil Frankfurts. Es ist aber nicht so schlimm wie gedacht, die meisten von denen haben noch ein paar Promille Blut im Alkohol. Der Führungswagen der Demo ist bereits in Position, ebenso ein Krankenwagen der hoffentlich nicht gebraucht ist. Von der Polizei sind nur zwei Wagen zu sehen, und nicht allzu viel Personal.
Das einzige wirkliche Problem ist der a***hkalte Wind! Nach Zehn Minuten Warterei sag ich mir nur "Scheiß auf das Vermummungsverbot, mir frieren gleich die Ohren ab!!" und zieh die Kapuze über.
Links neben mir fallen mir einige offensichtlich recht gut organisierten Demonstranten auf. Die Rote Fahne lässt darauf schließen, das es sich um Vertreter vom Linken Ende des politischen Spektrums handelt. Und tatsächlich, als die Rote Fahne von einer Windböhe erfasst wird entpuppt sich die Gruppierung als “Sozialistische Alternative.” Nicht diejenigen, die ich bei dieser Demo gerne dabei gehabt hätte, aber so wie sich die Teilnehmerzahlen momentan entwickeln, sollte ich über jeden Alliierten froh sein!

Noch während ich mir darüber Gedanken mache, wird es rechts von mir, da wo die Linken stehen, auf einmal laut. Ein grantelnder Opa, Baureihe “Ich-hab-bei-Stalingrad-'ne-Granate-zuviel-abbekommen,” versucht einen Mitdemonstranten zusammenzufalten. Wir dürften hier nicht demonstrieren, meint er, auch wenn wir recht hätten. Das sei Bahngelände!
Häh? Hat der sich im Jahrhundert geirrt? Er hat Recht, die Kaiserstraße WAR Bahngelände, bis zur Eröffnung des Frankfurter Hauptbahnhofs (damals Centralbahnhof) 1884. Danach wurde das Gelände jedoch der Stadt Frankfurt zur Neuentwicklung übergeben, praktisch das “Stuttgart 21” des 19. Jahrhunderts. Aber so alt, das er das noch mitbekommen hätte können wirkt der doch gar nicht! Immerhin bricht dieser kleine Ausbruch das Eis bei einigen Mitdemonstranten. Man kommt ins Gepräch. Und auch der Sammelpunkt füllt sich langsam. Die Guy-Fawkes-Masken werden mehr, und auch die Transparente vermehren sich. Zwei stechen mir besonders ins Auge. Ausgerechnet eines der Sozialistischen Alternative bringt die Sache auf den Punkt.

"Lobbyismus ist teurer als Gute Geschäftsmodelle! "

Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen. Wenn sich diese Ansicht durchsetzen würde, dann wär ACTA schon längst ad Acta gelegt worden. Leider steht der Gesunde Menschenverstand bei diesem Thema auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Beim nächsten Plakat wird mir dagegen gleich ganz anders. 
“Schöne Wolken? Schlechte Wolken? Google mal Chemtrails!”

Das bei einer Demo zum Thema Informationsfreiheit Verschwörungstheoretiker auftauchen ist so sicher wie der Verbotsreflex der Deutschen Politelite, aber ausgerechnet diese Vögel? Hier bleibt mir wirklich nix anderes übrig als die A-Capella Band Wise Guys zu zitieren:

“Keine Macht den Drogen
ist in deinem Fall gelogen; 
denn ich denk mir Meine Güte
bitte bau dir mal 'ne Tüte!”

Mittlerweile ist es ganz schön eng geworden. Der Polizeibus muss sich den Weg zu seiner Position hinter dem Lautsprecherwagen frei schaufeln. Dann endlich geht es los. Der zweite Lautsprecherwagen, der eigentlich den Abschluss markieren sollte, hat erst mal die Arschkarte gezogen. Der muss nämlich warten, bis der komplette Demonstrationszug an ihm vorbei gezogen ist. Bereits zu diesem Zeitpunkt sind weit mehr Leute unterwegs, als die 2000, die in den Medienberichten auftauchen. Wir haben gerade die Hälfte des Bahnhofsviertels durchquert, als sich die Sozialistische Alternative zu Wort meldet.
Brecht die Macht der Banken und Konzerne!”
Leute, falsche Demo! Occupy Frankfurt ist da vorne rechts, gleich vor der EZB! Die Reaktion der meisten Demonstranten ist ähnlich. Der Versuch, diesen Sprechchor zum Selbstläufer zu machen scheitert kläglich.
 Aber auch andere Sprechchöre haben nicht wirklich mehr Erfolg, so dass wir bis zum erreichen der EZB ein eher stummer Demonstrationszug sind. Die erste Zwischenkundgebung am Goetheplatz ändert das ganze dann schon wieder. Die Redner sind gut, nur der Auftritt eines Occupy-Vertreters sorgt bei mir für diverse WTF-Momente. Irgendwie hat er den Sinn der Demo nicht so ganz erkannt. Ach ja, "wer nicht hüpft der ist für ACTA!"
Aus Rücksicht auf die Geologischen Gegebenheiten des Rhein-Main-Gebiets habe ich mich beim hüpfen trotzdem zurückgehalten, bei meinem Gewicht! ;-) Meine Ablehnung von ACTA ist allerdings trotzdem geblieben.
Nach dem Zwischenstopp am Goetheplatz geht es über die Hauptwache. Mittlerweile hat sich ein Sprechchor durchgesetzt, der immer wieder durch den kompletten Demonstrationszug hallt.
"Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Rechte klaut!"

Auf Höhe der Hauptwache versuchen, ein paar Tierschützer, den Spruch zu hijacken, was jedoch gnadenlos in die Hose geht. Tja, wenn ihr euer Thema pushen wollt, dann solltet ihr selbst 'ne Demo organisieren. Gegen einen steifen Nordwind geht es die Große Eschenheimer Straße zum Eschenheimer Tor. Die Stimmung ist gut, kalt aber gut. Kurz nach dem Abbiegen in die Stiftstraße werden die ersten Teilnehmerzahlen durchgegeben, die mit tosendem Gejubel quittiert werden. Mittlerweile hat sich auch eine Variation unseres Schlachtrufs herausgebildet.
"Wir sind hier, es ist kalt, ACTA gehört abgeknallt!"

Okay, zugegeben das klingt etwas agressiv, aber was soll man machen? So viele Worte, die sich auf Kalt reimen, und in dem Zusammenhang passen gibt es ja nicht! Kurze Zeit später meine ich zu hören, wie an der Zugspitze ein medizinischer Notfall gemeldet wird. Ich bin mir aber nicht sicher.
An der Konstablerwache angekommen wirds chaotisch! Das Führungsfahrzeug musste sich kurzfristig vom Demonstrationszug lösen, dementsprechend wissen die wenigsten, wo es lang geht. Ich gehöre ebenfalls dazu und lasse daher mal meinem Herdentrieb freien Lauf, was mich von der Konstablerwache in Richtung Börneplatz verschlägt. Auf halbem Wege dorthin knallt es auf einmal knapp hinter mir. Irgendwelche Vollspacken hielten es wohl für besonders cool, einen Chinaböller genau vor eine heranfahrende Straßenbahn zu werfen! Genau solche Vollidioten können wir nicht gebrauchen. Während ich noch den Kopf schüttel, treffen wir am Börneplatz wieder auf das Führungsfahrzeug. Nachdem wir uns kurz gesammelt haben, geht es entlang der Battonnstraße Richtung Paulskirche. Der Verkehr wird extra für uns aufgehalten. Ich bin froh das man das Gefluche der Fahrer außerhalb der Autos nicht versteht ;-) 
Auf Höhe des Hotels Frankfurter Hof werden noch einmal die Teilnehmerzahlen der anderen Anti-ACTA-Demos bekannt gegeben. Der Jubel ist ohrenbetäubend. Die Stimmung ist nach wie vor hervorragend, ich hab nur ein Problem. Ich spür meine Füße kaum noch!
Gottseidank gibt sich dieses Problem überraschend schnell. Wir nähern uns dem Goetheplatz um dort die Schlusskundgebung abzuhalten da melden die Füße sich wieder, allerdings verdammt schmerzhaft. Da hätten sie auch eingefroren bleiben können!!! 
Auf einmal kommt der Demonstrationszug zum Stillstand. Über die Lautsprecher kommt die Meldung das es weiter vorne zu Auseinandersetzungen und Randale kommen würde, und man so lange wartet bis die Polizei ihren Job getan hat. Weiter vorne, vor dem Lautsprecherwagen, das ist doch da wo Solid, die Jugendorganisation der Linkspartei mitmarschiert ist. Und ausgerechnet da gibt es gerade Stress? ich würde lügen wenn ich behaupten würde das ich überrascht bin.
Nach Fünf Minuten geht es dann wieder weiter. Der Goetheplatz füllt sich zur großen Abschlusskundgebung. Da ich mittlerweile direkt hinter dem Lautsprecherwagen mitlaufe bin ich einer der ersten auf dem Platz. Ein Blick zurück zur Kaiserstraße lässt mich staunen. Es kommen immer mehr Leute auf den Platz, als ob irgendwo eine Schleuse aufgegangen wäre. Es sind definitiv mehr als 2000 Teilnehmer, wie die Medien später behaupten werden. Die Reden, die Vorstellung des ACTA-Gegenentwurfs "ContrACTA," alles wirkt jetzt auf einmal flüssiger und passender. Keine Ausschweifungen mehr in die Sozialdebatten von Occupy. Vor allem sind die Reden kurz und prägnant. Man merkt, das auch den Jungs auf dem Lautsprecherwagen kalt ist. Dementsprechend ist dann kurz nach 18 Uhr auch Schluss, ein Schlusspunkt, der mit einem ohrenbetäubenden Ruf quittiert wird.


STOPP ACTA!!!!!


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