Ist weniger wirklich mehr?
Das Irland finanziell nicht allzu gut darsteht, sollte ja allgemein bekannt sein. Die teilweise drakonischen Maßnahmen, die Irland von der Troika auferlegt wurden, zeigen zwar Wirkung, haben aber auch die Binnenwirtschaft des Landes beinahe abgewürgt. Wenn man durch die Innenstadt von Cork läuft, dann sieht man dies ganz deutlich. Obwohl die wahre Hauptstadt Irlands wirtschaftlich relativ gut darsteht, nicht zuletzt dank Internationalen Schwergewichten wie Amazon, Dell, McAffee, EMC, oder auch Apple, so sieht man selbst im Wirtschaftlichen Herz der Stadt, der Gegend um Patrick Street und Oliver Plunkett Street immer mehr bröckelde Fassaden. Und glaubt mir, das liegt nicht nur an der hervorragenden Bauqualität irischer Häuser. Viele Geschäfte stehen leer, ebenso wie Wohnhäuser.
Es ist also offensichtlich, das die irische Regierung das Loch im Regierungsbudget nicht durch weitere Steuererhöhungen in den Griff bekommen wird. Es gibt einfach nicht mehr allzu viel zu holen. Der Rest muss also wohl durch Einsparungen erfolgen. Die Regierung von Enda Kenny hat hier schon einige Schritte in die Wege geleitet, so z.B. das Haddington-Road-Abkommen, in dem massive Einschnitte für Staatsangestellte eingeleitet werden. Ein weiteres Vorhaben der Regierung Kenny in diesem Zusammenhang ist die Abschaffung des Seanad, der zweiten Kammer des Irischen Parlaments. Da dies einen Eingriff in die Verfassung der Republik Irland erfordert, wurde für diesen Herbst eine Volksabstimmung angesetzt, um über diese Änderung abzustimmen.
Ganz ehrlich, so sehr ich auch der Meinung bin, das die von Fine Gael geführte Regierung einen guten Job macht, so sehr lehne ich dieses Vorhaben ab. Ich werde im Herbst nicht abstimmen können, da ich kein Irischer Staatsbürger bin, ich komme allerdings nicht umhin, meine Meinung zu diesem Vorhaben loszuwerden.
Aber was ist der Seanad überhaupt? Nun, es handelt sich hierbei um das Oberhaus des Oireachtas, des Irischen Parlaments. Ja ja, ich weiß, das ich gerade eine Antwort abgeliefert habe, die der Microsoft Help Database alle Ehre machen würde: Faktisch korrekt, aber praktisch unbrauchbar. Was ist dieser mysteriöse Seanad nun genau? Wie setzt er sich zusammen? Was sind seine Machtbefugnisse? Und weshalb soll er abgeschafft werden?
Nun, was Seanad Eireann, der Irische Senat, genau ist, habe ich ja weiter oben schon geschrieben. Die Zusammensetzung dieses Oberhauses ist nun eine andere Sache, und offen gesagt ziemlich komplex, um nicht zu sagen irrsinnig.
Der Senat besteht aus 60 Abgeordneten. 11 davon werden vom Taoiseach, dem irischen Regierungschef, bestimmt. Soweit, so gut, aber ab jetzt wird's abstrus. 6 Senatoren werden von irischen Universitäten gewählt, 3 durch die Universität Dublin, und drei druch die National University of Ireland, einen Zusammenschluss verschiedener Universitäten, unter anderem auch des University College Cork. Richtig merkwürdig wird es für die nächsten 43 Senatoren. Diese werden von sogenannten Vocational Panels gewählt, Nach Berufsgruppen getrennten Kommittees. Theoretisch sollen diese Panels dazu dienen, besonders fähige Individuen aus verschiedenen Berufsgruppen in den Seanad einfließen zu lassen. Im alltäglichen Politikbetrieb machen die politischen Parteien das ganze unter sich aus.
Gibt es da draußen noch jemanden, dessen Hirn noch nicht ausgestiegen und zum Mittagessen gegangen ist? Ich hatte ja gesagt, das die ganze Sache ziemlich irrsinnig ist. Aber warum ist das so? Wieso so komplex? Wieso kann an das nicht einfacher machen, und die Senatoren direkt vom Volk wählen lassen? Die Antwort hierzu ist leider wiederum etwas komplexer. Sie hängt mit dem Politischen System hier in Irland zusammen, und mit dem Unterhaus des Oireachtas, dem Dail Eireann. Anstelle eines Listenwahlsystems wie in Deutschland werden in die Gewinner der Parlamentswahlen in Irland mithilfe des Systems der "Übertragbaren Einzelstimme" bestimmt. Dies ist ein personenbezogenes Wahlsystem, weshalb es keinen Sinn macht, eine zweite, ebenfalls personenbezogene Wahl für das Oberhaus durchzuführen.
Der zweite Grund ist wiederum typisch Irisch. Als die Verfassung des Irischen Freistaates 1937 durch die heute noch gültige Verfassung der Republik Irland ersetzt wurde, versuchte man, den damals unausweichlich erscheinenden Klassenkampf, der von überall aktiven Kommunistischen Parteien und Gewerkschaften propagiert wurde, zu verhindern. Als Basis hierfür diente, wie sollte es in einem katholischen Land wie Irland anders sein, eine päpstliche Enzyklika, genauer gesagt die Enzyklika Quadrasegimo Anno aus dem Jahr 1931, verfasst von Past Pius XI. Ein Kirchen-Rundschreiben als Basis für die Verfassung und das Oberhaupt eines angeblich sekularen Staates. Noch Fragen?
In Anbetracht einer derartig verschwurbelten Struktur macht es nun doch eigentlich Sinn, den Irischen Senat abzuschaffen, oder? Die Antwort könnte geradewegs aus dem Munde eines Politikers kommen: Ja und Nein. Ja, der Seanad ist in seiner aktuellen Struktur absolut veraltet, und in keinster Weise repräsentativ. Ja, der Seanad ist ein Auffangbecken für gescheiterte Abgeordnete, Sozial unfähige Akademiker und Weltfremde Spinner. Ja, der Seanad ist im Endeffekt ein Millionengrab. Ihn abzuschaffen macht in meinen Augen trotzdem keinen Sinn, erst recht nicht bei einem Land mit einer derart zerrissenen Geschichte wie es Irland ist.
Aufgrund des traditionellen Wahlverhaltens der Iren, und des Wahlsystems erreichen die Gewinner einer Parlamentswahl in aller Regel eine recht gesunde Mehrheit, was umso mehr für Koalitionsregierungen gilt. Taoiseach Enda Kenny und Fine Gael haben zwar angekündigt, das es nach dem Referendum über die Abschaffung des Seanad eine Reihe von Reformen im Dail geben wird, um hier eine entsprechende Kontrolle zu ermöglichen. Da sowohl Kenny als auch Fine Gael allerdings an der Macht bleiben wollen steht zu befürchten, das es sich hierbei hauptsächlich um Kosmetische Maßnahmen handeln wird.
Eine Partei macht bei diesem Reigen der Koalitionen bis dato nicht mit: Sinn Fein. Diese Partei, die traditionell den militanten Republikanern um die IRA nahe stand, war lange Jahre der Pariah der irischen Politik. Niemand traute ihnen, niemand wollte etwas mit ihnen zu tun haben. Gleichzeitig brüstete sich Sinn Fein damit, die einzige Partei zu sein, die für die völlige Freiheit Irlands einstand, und suchte geradezu die Nähe jener Elemente, die man heute in Irland euphemistisch als Republikanische Dissidenten bezeichnet. Seit dem Karfreitagsabkommen hat sich auch Sinn Fein gewandelt. Sie haben sich als eine Partei für Protestwähler neu formiert, und passen nicht so recht in das so beliebte Links-Rechts-Schema der Politik. Nach wie vor gibt es jedoch Elemente in der Partei, die starke Sympathien für die verbliebenen gewalttätigen Republikanischen Dissdenten haben, auch wenn diese mittlerweile nicht viel mehr sind als Zuhälter, und Drogenschmuggler, die sich in die irische Trikolore hüllen, um sich selbst einen Hauch von Legitimität zu geben. Was ist nun, wenn diese Elemente, z.B. durch eine verlängerte Wirtschaftskrise, Oberwasser in der Irischen Politik erhalten, und eventuell sogar den Taoiseach stellen? Ein Parlament ohne 2. Kammer wird da ganz schnell zur Genehmigungsmaschine.
Ich stimme zu, wenn gesagt wird, das der Seanad dringender Reformen bedarf. Es kann nicht sein, das die zweite Kammer am Tropf der Regierenden hängt, und mehr oder weniger von einem Kirchenmemo abhängt. In meinen Augen macht es Sinn, den Seanad automatisch mit zwei Vertretern der jeweiligen County Councils und City Councils zu besetzen. So hätte man eine indirekte demokratische Kontrolle, da diese jeweils durch das Volk gewählt werden, und man hätte eine stärkere Einbindung der Regionen, was bei der Verteilung von Infrastrukturgeldern durchaus wichtig wäre. Zusätzlich würde dies verhindern, das Dublin weiter auf Kosten des restlichen Landes wächst. Eine Abschaffung der 2. Kammer des Oireachtas halte ich jedoch für höchst gefährlich und kurzsichtig.
Ich selbst bin als Einwanderer nicht berechtigt, beim kommenden Referendum meine Stimme abzugeben. Ich kann nur hoffen, das die irische Bevölkerung hier die richtige Wahl trifft, und die angepeilte Verfassungsänderung ablehnt. Es ist eigentlich schon pervers, das ich hier gegen die Regierung von Enda Kenny argumentiere, eine Regierung, von der ich sonst eine hohe Meinung habe. In diesem Fall kann ich, als liberal denkender Mensch, jedoch nicht anders handeln.
Der zweite Grund ist wiederum typisch Irisch. Als die Verfassung des Irischen Freistaates 1937 durch die heute noch gültige Verfassung der Republik Irland ersetzt wurde, versuchte man, den damals unausweichlich erscheinenden Klassenkampf, der von überall aktiven Kommunistischen Parteien und Gewerkschaften propagiert wurde, zu verhindern. Als Basis hierfür diente, wie sollte es in einem katholischen Land wie Irland anders sein, eine päpstliche Enzyklika, genauer gesagt die Enzyklika Quadrasegimo Anno aus dem Jahr 1931, verfasst von Past Pius XI. Ein Kirchen-Rundschreiben als Basis für die Verfassung und das Oberhaupt eines angeblich sekularen Staates. Noch Fragen?
In Anbetracht einer derartig verschwurbelten Struktur macht es nun doch eigentlich Sinn, den Irischen Senat abzuschaffen, oder? Die Antwort könnte geradewegs aus dem Munde eines Politikers kommen: Ja und Nein. Ja, der Seanad ist in seiner aktuellen Struktur absolut veraltet, und in keinster Weise repräsentativ. Ja, der Seanad ist ein Auffangbecken für gescheiterte Abgeordnete, Sozial unfähige Akademiker und Weltfremde Spinner. Ja, der Seanad ist im Endeffekt ein Millionengrab. Ihn abzuschaffen macht in meinen Augen trotzdem keinen Sinn, erst recht nicht bei einem Land mit einer derart zerrissenen Geschichte wie es Irland ist.
Aufgrund des traditionellen Wahlverhaltens der Iren, und des Wahlsystems erreichen die Gewinner einer Parlamentswahl in aller Regel eine recht gesunde Mehrheit, was umso mehr für Koalitionsregierungen gilt. Taoiseach Enda Kenny und Fine Gael haben zwar angekündigt, das es nach dem Referendum über die Abschaffung des Seanad eine Reihe von Reformen im Dail geben wird, um hier eine entsprechende Kontrolle zu ermöglichen. Da sowohl Kenny als auch Fine Gael allerdings an der Macht bleiben wollen steht zu befürchten, das es sich hierbei hauptsächlich um Kosmetische Maßnahmen handeln wird.
Eine Partei macht bei diesem Reigen der Koalitionen bis dato nicht mit: Sinn Fein. Diese Partei, die traditionell den militanten Republikanern um die IRA nahe stand, war lange Jahre der Pariah der irischen Politik. Niemand traute ihnen, niemand wollte etwas mit ihnen zu tun haben. Gleichzeitig brüstete sich Sinn Fein damit, die einzige Partei zu sein, die für die völlige Freiheit Irlands einstand, und suchte geradezu die Nähe jener Elemente, die man heute in Irland euphemistisch als Republikanische Dissidenten bezeichnet. Seit dem Karfreitagsabkommen hat sich auch Sinn Fein gewandelt. Sie haben sich als eine Partei für Protestwähler neu formiert, und passen nicht so recht in das so beliebte Links-Rechts-Schema der Politik. Nach wie vor gibt es jedoch Elemente in der Partei, die starke Sympathien für die verbliebenen gewalttätigen Republikanischen Dissdenten haben, auch wenn diese mittlerweile nicht viel mehr sind als Zuhälter, und Drogenschmuggler, die sich in die irische Trikolore hüllen, um sich selbst einen Hauch von Legitimität zu geben. Was ist nun, wenn diese Elemente, z.B. durch eine verlängerte Wirtschaftskrise, Oberwasser in der Irischen Politik erhalten, und eventuell sogar den Taoiseach stellen? Ein Parlament ohne 2. Kammer wird da ganz schnell zur Genehmigungsmaschine.
Ich stimme zu, wenn gesagt wird, das der Seanad dringender Reformen bedarf. Es kann nicht sein, das die zweite Kammer am Tropf der Regierenden hängt, und mehr oder weniger von einem Kirchenmemo abhängt. In meinen Augen macht es Sinn, den Seanad automatisch mit zwei Vertretern der jeweiligen County Councils und City Councils zu besetzen. So hätte man eine indirekte demokratische Kontrolle, da diese jeweils durch das Volk gewählt werden, und man hätte eine stärkere Einbindung der Regionen, was bei der Verteilung von Infrastrukturgeldern durchaus wichtig wäre. Zusätzlich würde dies verhindern, das Dublin weiter auf Kosten des restlichen Landes wächst. Eine Abschaffung der 2. Kammer des Oireachtas halte ich jedoch für höchst gefährlich und kurzsichtig.
Ich selbst bin als Einwanderer nicht berechtigt, beim kommenden Referendum meine Stimme abzugeben. Ich kann nur hoffen, das die irische Bevölkerung hier die richtige Wahl trifft, und die angepeilte Verfassungsänderung ablehnt. Es ist eigentlich schon pervers, das ich hier gegen die Regierung von Enda Kenny argumentiere, eine Regierung, von der ich sonst eine hohe Meinung habe. In diesem Fall kann ich, als liberal denkender Mensch, jedoch nicht anders handeln.
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