Café No Go?
Als ich am Samstagmorgen wie üblich meine morgendlichen Newsletter und Zeitungsfeeds auf Facebook durchgegangen bin, ist mir doch glatt der Becher Kaffee aus der Hand gefallen. Laut der Welt gibt es doch tatsächlich eine rapide ansteigende Anzahl von Cafés, die ihren Gästen verbieten, Während des Besuchs dort Laptops zu benutzen. Im Artikel wird vor allem Berlin als Brennpunkt dieser "Bewegung" aufgeführt. Geht's noch? Ich mein ich weiß ja, das die Bundeshauptstadt teilweise auf einem anderen Planeten, bzw. in einem Paralleluniversum existiert, aber trotzdem, so was geht mal gar nicht. Ich kann verstehen, dass es teilweise etwas befremdlich anmutet, wenn man sich an einen Tisch setzt, und um einen herum vor lauter Dell, Acer, Lenovo, etc. kaum die anderen Gäste erkennt. Ich habe selbst schon oftmals das Gefühl gehabt, in einem meiner Stammcafés hier in Cork nach einem Tisch zu suchen, und mich ob einer fast geschlossenen Wand aus MacBook-Displays gefragt, ob ich hier in einem Shared Office gelandet bin. Trotzdem, die Benutzung von Laptops gleich komplett zu verbieten zeigt vor allem zweierlei Dinge: Die maßlose Selbstüberschätzung der entsprechenden Cafébetreiber, und einen absoluten Mangel an Respekt vor den Gästen.
Kann mir irgendjemand erklären, was hieran so verwerflich sein soll? |
Vielleicht sehe ich das ganze aber auch zu verbissen. Vielleicht fehlt mir einfach nur das erweiterte Bewusstsein, das einem Rote-Beete-Mate-Smoothies verpassen, und dass einen die Wahrheit erkennen lässt. Das würde zumindest erklären, warum diese Laptopverbote vor allem in hipsterverseuchten “Szenevierteln” wie Neukölln zu finden sind. Offenbar hat man dort einen Zustand der koffein-induzierten Transzendenz erreicht, der einen erkennen lässt, wie unwichtig solche Sachen wie Deadlines doch in Wirklichkeit sind, und das man Wissen doch einfach durch Meditation und Kontemplation aufnehmen kann. Quasi Intelligenz via Osmose. Studien, wie die von Ravi Mehta, Rui Zhu und Omar Cheena von der Universität von British Columbia, laut denen ein moderates Level an Hintergrundgeräuschen, wie es z.B. in einem Café herrscht, durchaus die Kreativität fördern, sind offenbar reines Blendwerk um zwischenmenschliche Kommunikation, oder eben jenen transzendentalen Zustand zu verhindern. Schließlich sollen Cafés ja allein zur zwischenmenschlichen Kommunikation dienen. Das diese kommunizierenden Individuen mehr konsumieren, ist dabei natürlich rein zufällig.
Ich glaube, die betreffenden Cafébetreiber haben schlicht und einfach den Schuss nicht gehört. Wenn man seinen Gesprächspartner mithilfe eines Laptops, Tablets, etc. ausblendet, dann wird dieser “Gesprächspartner” auch bei einem Laptopverbot nicht attraktiver werden. Wenn man als Gegenüber so langweilig ist, dass selbst ein Haufen Siliziumschaltkreise und ein elektronischer Sprachassistent attraktiver sind, dann wird auch ein Verbot eben jener Geräte nicht verhindern, dass das Gehör des Gesprächspartners spontan einen Warnstreik startet, und die Gehirnzellen massenhaft Auswanderungsanträge stellen.
Ist das hier etwa in irgendeiner Form abartig? |
Außerdem ist in jener oben erwähnten Studie ja schon dargelegt worden, dass es gute Gründe geben kann, lieber in einem Café an einem wichtigen Papier für die Uni zu arbeiten, mit einem Klienten eine neue Werbestrategie zu besprechen oder, wie in meinem Fall, an seinem nächsten Blogpost zu feilen. Die kreativitätssteigernde Wirkung der Hintergrundgeräusche ist nur einer davon. Nach meiner Erfahrung gibt es in der eigenen Wohnung einfach zu viele Ablenkungen, sei es die Wäsche, die man noch machen will, die Erkenntnis, das man mal wieder staubsaugen sollte, oder andere Störfaktoren. Die Beschränkung auf einen Laptop und eventuell einen Satz Notizen fokussiert einen auf die Arbeit, und eliminiert einen beträchtlichen Teil der potentiellen Ablenkungen. Ich hatte es schon mehrfach, dass ich nach 45 Minuten in einem Café einen Artikel fertig hatte, an dem ich vorher Tage oder Wochen gesessen hatte. Meine beiden Artikel über Fort Camden sind nur ein Beispiel dafür.
Letztendlich haben diese Laptopverbote nichts, aber auch rein gar nichts mit der angeblichen Förderung zwischenmenschlicher Kommunikation, etc. zu tun, und erst recht nicht, wie von einigen Kaffee-Extremisten vorgeblich behauptet mit der bewussteren Wahrnehmung des Kaffeegenusses. Dahinter stecken drei ganz einfache Motive. Das erste Motiv, Profitmaximierung durch höheren Konsum, oder einen schnelleren Gastwechsel an den Tischen, kann ich sogar teilweise nachvollziehen. Die beiden anderen treibenden Motive sind typisch Deutsch. Da haben wir einerseits das drängende Bedürfnisse, sich in das Leben anderer einzumischen, und ihnen vorschreiben zu wollen, wie sie zu leben hätten. Und schlussendlich haben wir es mit der, wiederum typisch deutschen, Technikfeindlichkeit zu tun, gekoppelt mit einem reflexhaften Antiamerikanismus, der daher rührt, dass die meisten echten Marktführer im IT-Bereich nun mal US-Firmen sind. Ich will nicht bestreiten, dass es manchmal Gäste gibt, die über die Stränge schlagen, und wenn ein “Executive” mit einem Rollkoffer voller Unterlagen ankommt, den billigsten Kaffee auf der Karte bestellt, und dann erst mal Laptop, Drucker und Scanner (Selbst erlebt!) aufbaut, dann kann ich jeden Cafébetreiber verstehen, der da einschreitet. Dies lässt sich jedoch auf individueller Basis mit Hausverboten besser regeln, als mit Blankoverboten. So jedoch mögen Cafés zwar den einen oder anderen Kunden gewinnen, Digital Natives wie mich aber haben sie so als Kunden verloren.
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