Planlos im All - Altmaierchens Weltraumirrfahrt

Für eine Regierung, die vornehmlich gegen jegliche Drogenlegalisierung ist, scheint man in Berlin aber richtig guten Stoff zu rauchen. Anders sind einige Vorschläge und Vorhaben der Großen Koalition nicht zu erklären. Gerade heute morgen hat Peter Altmaier, seines Zeichens Wirtschaftsminister bei GroKo Haram, verlautbaren lassen, dass der die Forderung des BDI nach einem eigenen Weltraumbahnhof in Deutschland prüfen zu lassen.
Echt jetzt? Die Idee ist derart idiotisch, die hätte glatt aus einem Donald-Trump-Tweet stammen können. Allein schon die Tatsache, dass der Bund der Deutschen Industrie so eine Idiotie überhaupt von sich gibt erklärt, warum Deutschland technologisch immer weiter zurückfällt. Okay, zugegeben, Deutschland ist ein Hochtechnologieland, und kann so ein Vorhaben technisch ohne Schwierigkeiten meistern, daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Trotzdem, haben die Typen Lack gesoffen?
Okay Thomas, ganz tief durchatmen. Gehen wir das ganze mal Stück für Stück durch. Wie bereits erwähnt hat Deutschland das technische Know-How, um nicht nur einen eigenen Weltraumbahnhof mit der dazugehörigen Infrastruktur aufzubauen, sondern auch eine Rakete zu bauen, die brauchbare Nutzlasten in praktisch jede beliebige Umlaufbahn zu bringen. Unternehmen wie RUAG oder OHB waren, und sind and praktisch allen europäischen Raumfahrtprojekten beteiligt, und waren federführend am Raumfrachter ATV oder den Harmony-, und Unity-Modulen für die Internationale Raumstation. Von Bremen über Darmstadt bis runter in den Münchener Raum gibt es dutzende von Unternehmen, Instituten, Laboren, Bodenstationen, etc., die bereits jetzt ein essenzielles Bindeglied im Europäischen Weltraumprogramm darstellen. Aber nur weil man technisch in der Lage ist, etwas zu machen, heißt das noch lange nicht, das man es auch tun sollte. Ich kann rein technisch Connor McGregor zu einem Kampf herausfordern, nur ob das so gut für mich ausgeht steht auf einem ganz anderen Blatt. 
So ähnlich sieht es auch bei Altmaierchens Weltraumfahrt aus. Auch wenn Deutschland technisch ohne Zweifel fähig ist, so hat es doch im wahrsten Sinne des Wortes ein Standortproblem. Wenn man sich auf der Welt umschaut, so wird man feststellen, dass die meisten Starteinrichtungen entweder and der Küste liegen (Cape Canaveral, Kourou, Tanegashima in Japan, oder Rocket Lab’s Startkomplex am Ahuriri Point in Neuseeland), oder mitten im nirgendwo, wie Baikonur oder Plessezk in Russland oder Jiaquan oder Taiyuan in China. Deutschland hat diese Möglichkeiten nicht. Selbst abgelegene Gegenden wie Mecklenburg-Vorpommern befinden sich in der nähe größerer Bevölkerungszentren. Hinzu kommt, dass der Luftraum über Deutschland zu einem der am stärksten frequentierten auf diesem Planeten gehört. Egal ob man jetzt die Ostseeküste, z.B. Bei Peenemünde, oder die Nordseeküste bei Cuxhaven betrachtet, in beiden Fällen ist der Luftraum ziemlich dicht, sowohl bei Tag als auch bei Nacht, und eine Schließung für mehrere Stunden, etwas, was bei einem Start normalerweise erforderlich ist, würde zu einem massiven Chaos im europäischen Luftraum führen. Ein Startplatz im Binnenland ist von vornherein eine schlechte Idee, da die Gefahr viel zu groß ist, dass bei einem Fehlschlag Trümmerteile, oder ganze Raketenstufen in bewohntes Gebiet stürzen.

Cape canaveral.jpg
Es gibt schon Gründe warum Raketenstartplätze wie Cape Canaveral, hier ein Satellitenbild, meistens direkt an der Küste zu finden sind.
By NASA - Gateway to Astronaut Photography of Earth (image link), Public Domain, Link

Dann hätten wir noch die verfügbaren Flugbahnen für einen Start. Bei einem Start von Nordholz bei Cuxhaven, wie er vom BDI vorgeschlagen wurde, wäre praktisch nur ein Start nach Norden möglich, direkt über die Zufahrten zum Hamburger Hafen, Nord-Ostsee-Kanal, oder zum Skagerrak. Aufgrund der Risiken durch herabstürzende Booster müssten diese Seegebiete allesamt geschlossen werden, auch für Freizeitskipper, was ein quasi unmögliches Unterfangen wäre. Bei einem Start von Mecklenburg-Vorpommern aus, hier würde sich Peenemünde als Startplatz geradezu anbieten, würde eine startende Rakete zwangsläufig alle wichtigen Schifffarthswege in der Ostsee der Länge nach überfliegen, eine Sperrung hier wäre quasi unmöglich. Und dann gibt es da noch ein „kleines“ Problem in Form der Russischen Exklave Kaliningrad. Diese ist eine der wichtigsten russischen Militärbasen im Ostseeraum, und es steht zu vermuten, dass die russischen Streitkräfte nicht einfach so hinnehmen werden, wenn auf einmal Raketen auf ballistischen Flugbahnen direkt an ihrer wichtigsten halbwegs eisfreien Marinebasis in der Region vorbeifliegen. Und ja, selbst die „Micro Launcher“, kleine Trägerraketen wie die Electron von Rocket Lab, sind von der Größe her vergleichbar mit ICBMs wie Minuteman oder Trident.
KSC-20181201-PH RKL01 0011
Ein Nanosatellit, kurz bevor er unter der Nutzlastverkleidung an der Spitze einer Electron-Trägerrakete von Rocket Lab verschwindet. Dieses Bild verdeutlicht, wie kompakt Micro Launcher wie die Electron sind.
Dann haben wir das Problem der Bahnneigung. Geostationäre Satelliten, deren Starts einen Großteil des kommerziellen Raketenmarkts abdecken, sind in aller Regel in einem äquatorialen Orbit stationiert. Ein Start von Deutschland aus würde jedoch, aus den oben genannten Gründen, praktisch immer auf eine polare Umlaufbahn hinauslaufen, und der Wechsel in einen äquatorialen Orbit würde eine Veränderung der Bahnneigung um bis zu 90 Grad erfordern, was komplexe Manöver und einen beträchtlichen Treibstoffverbrauch für die jeweilige Raketenoberstufe und den Satelliten selbst nach sich zieht. Selbst konventionelle Trägerraketen wie die Falcon 9 von SpaceX oder die Delta-IV müssen hier beträchtliche Nutzlasteinbußen hinnehmen, für Micro Launcher wie die Electron wären derartige Umlaufbahnen bei einem Start von Deutschland aus quasi unerreichbar, was einen großen Teil des kommerziellen Satellitengeschäfts von vornherein ausschließt. Und ohne diese wirtschaftliche Grundlage bleibt von diesem Vorhaben nicht viel mehr übrig als ein weißer Elefant, von Steuergeldern finanziert.
AMOS-17 Mission (48478269312)
Kommerzielle Anbieter wie SpaceX, hier eine Falcon 9 beim Start, verdienen einen beträchtlichen Teil ihres Umsatzes mit dem Start kommerzieller Telekommunikationssatelliten, von denen viele in Geostationären Umlaufbahnen platziert werden. Dieser Markt wäre von Deutschland aus quasi unerreichbar.

Versteht mich bitte nicht falsch, ich bin ein absoluter Raumfahrt-Freak, und ein Raketenstartplatz in Deutschland würde mein Nerdherz deutlich schneller schlagen lassen. Allerdings kenne ich die kommerzielle Raumfahrt mittlerweile gut genug um zu wissen, das ein derartiges Vorgehen leider so unrealistisch ist wie eine Auftritt Horst Seehofers auf einem Fortnite-Tournament. Deutschland hat sich als Zulieferer für Spacelab, ESA, Ariane, oder die Internationale Raumstation über Jahrzehnte hinweg einen Ruf als verlässlicher Partner erarbeitet. In meinen Augen ist es deutlich zielführender, diese Stärke weiter auszubauen, und als treibende Kraft das europäische Weltraumprogramm zu unterstützen, als irgendwelchen geltungssüchtigen Industriellen irgendwelche Hirngespinste zu ermöglichen.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

CUII Bono?

Vom Tod einer Stadt - die vergessene Katastrophe von Longarone

Einmal Oslo und zurück - Kurzurlaub mit Color Line