eBooks & Selbstverlag - Gutenberg 2.0?
Als Blogger sieht man sich ja gerne als Speerspitze der modernen Selbstdarstellung, ob dies berechtigt ist, sei jedem selbst überlassen. Es wäre allerdings unfair und vermessen, Blogs als einziges derartiges Medium darzustellen. Gerade in den letzten Jahren ist ein weiteres Medium in dieser Hinsicht geradezu explodiert, nämlich das eBook.
Hä? mag sich jetzt der eine oder andere fragen, das ist doch nichts anderes als der Papierbuchhandel nur in elektronischer Form. Nicht ganz. Zugegeben, eBooks von klassischen Verlagen sind durchaus wichtig, und vor allem massive Umsatzbringer, ich selbst habe da auch schon zugeschlagen. Der revolutionäre Aspekt dieses Mediums ist jedoch die Möglichkeit des Selbstverlags. Dies bedeutet nichts Geringeres, als dass es Autoren jetzt möglich ist, die üblichen Strukturen des Verlagswesens, also Agenten, Verleger, und den stationären Buchhandel zu umgehen, und die Bücher direkt dem Kunden anzubieten.
Ein Schreibtisch, ein Computer, und eine Idee. Mehr braucht es heutzutage nicht mehr, um ein Buch auf den Markt zu bringen. |
Dies ist zugegebenermaßen nicht neu, sondern fast so alt wie die Gutenbergische Buchpresse. Viele Autoren die heute als Klassiker gelten, haben in vergangenen Jahrhunderten zum Selbstverlag gegriffen, darunter Jane Austen, Nathaniel Hawthorne, oder Emily Dickinson. Für viele angehende Autoren waren die hohen Kosten, die mit diesem Vorgehen verbunden sind, jedoch ein massives Hindernis, und sie waren daher der Willkür der Verlage ausgeliefert, eine Situation, die bis in die heutige Zeit andauert. Dies führt einerseits dazu, dass nur ein winziger Bruchteil der eingereichten Manuskripte überhaupt auf den Markt kommen, sorgt gleichzeitig jedoch für ein gewisses Niveau. Nichtdestotrotz haben Agenten und Verleger hier eine extreme Machtposition inne, und wenn man sich die Geschichte von J. K. Rowling und den Harry-Potter-Büchern anschaut, dann möchte ich nicht wissen, wie viele ähnlich talentierte Autoren irgendwann einfach enttäuscht aufgegeben haben.
So unscheinbar eReader wie der Kindle auch aussehen mögen, sie haben eine veritable Revolution ausgelöst. |
Die Verfügbarkeit von eBooks in den letzten zehn Jahren hat dieses doch recht statische Machtgefüge komplett auf den Kopf gestellt. Ob es jetzt Amazon Kindle ist, Apple iBooks, Google Play Books, oder das überraschend fortschrittliche Tolino, das von diversen Deutschen Buchhändlern betrieben wird, alle ermöglichen es angehenden Autoren, das bisherige Gefüge von Agenten und Verlegen komplett zu umgehen, und ihre Bücher direkt in die jeweiligen eBook Stores hochzuladen. Abgerechnet wird direkt mit dem Plattforminhaber, der nur einen relativ geringen Anteil des Verkaufspreises als Provision einbehält. Das „traditionelle“ Verlage darüber nicht gerade erfreut sind, und ihr möglichstes tun, diesen neuen Vertriebsweg zu diskreditieren.
Warum ich auf dieses Thema gekommen bin? Nun, eine Freundin und ehemalige Arbeitskollegin von mir ist mittlerweile unter die Selbstverleger gegangen, und hat vor kurzem die ersten beiden Kapitel ihres neuen Fortsetzungsromans bei Amazon hochgeladen. Ich habe selbst bereits zugeschlagen, und auch wenn das Buch teilweise noch etwas ungeschliffen wirkt, so ist es doch offensichtlich, dass hier ein beträchtliches Talent da ist. Wird meine Kollegin zur nächsten J.K. Rowling? Wird sie es Andy Weir gleichtun, und einen Riesenerfolg im Sinne von The Martian raushauen? Ich weiß es nicht, ohne Lösungen wie z.B. Amazon Kindle Direct Publishing hätte sie die Chance dazu jedoch nie bekommen. Schaut auf jeden Fall mal in ihre Bücher rein, beim aktuellen Preis pro Kapitel kann man nicht viel falsch machen!
Man muss allerdings fairerweise auch sagen, dass nicht alles was veröffentlicht werden kann, auch veröffentlicht werden sollte. Beim stöbern gerade im eBook Store bei Amazon sind mir diverse Bücher aufgefallen, die nicht nur grammatikalisch eine absolute Katastrophe sind, sondern so frei von Talent oder Stil sind, dass die Autoren glatt bei RTL2 anfangen könnten. Ernsthaft, einige eBooks da draußen würden nicht mal auf fanfiction.net akzeptiert werden. O si tacuisses, philosophus mansisses, wie Boethius sagen würde.
Leider gibt es hier auch eine dunklere Seite. Piraterie ist definitiv ein Problem, sowohl für etablierte Autoren als auch für Newcomer, und nicht jeder Plattformbetreiber reagiert schnell auf derartige Vorfälle. Viel gravierender ist jedoch, dass durch einen Mangel an Qualitätskontrolle auch rechtlich fragwürdige Werke in den jeweiligen Stores landen, gerade Amazon ist mir in diesem Zusammenhang im Gedächtnis geblieben, wo sich für eine Zeit rechtsextreme, antisemitische und volksverhetzende Machwerke neben „erotischen“ Büchern fanden, die strafrechtlich relevant waren. Von pseudowissenschaftlichen oder verschwörungstheoretischen Inhalten rede ich hier mal gar nicht.
Dies soll nicht heißen, dass eBooks und selbstverlegte Werke generell minderwertig oder illegal sind, ganz im Gegenteil. Einer der größten Erfolge der letzten Jahre, Andy Weir’s Buch „The Martian“ ist ursprünglich im Selbstverlag erschienen, und es gibt eine ganze Reihe von echten Perlen, wenn man bereit ist, etwas zu stöbern. Gleichzeitig zeigen die oben erwähnten Kritikpunkte jedoch die Schwachstellen, die jedes im Endeffekt offene System mit sich bringt.
In meinen Augen schmälert dies jedoch nicht Bedeutung dieses noch relativ neuen Vertriebsweges. Die etablierten Verlage und Vertriebsstrukturen sind mittlerweile so verkrustet und mächtig, das es mehr als Zeit wird, neue Wege zu gehen, und diese teilweise fossilen Gestalten auf's Abstellgleis zu schieben. Es wird auch immer wieder gerne vergessen, das wir momentan inmitten der größten Revolution seit der Erfindung des Buchdrucks befinden. eBooks, eReader, Tablets, Smartphones, und ähnliche Geräte erleichtern sowohl das Erstellen als auch das konsumieren von Content jeder Art, und jeder Autor der dadurch die Möglichkeit bekommt, sein Werk an die Öffentlichkeit zu bringen, ist erst einmal zu begrüßen. Schön und gut, es mag sein, dass für jedes neue Meisterwerk hundert absolute Machwerke veröffentlicht werden, aber erstens ist dies jetzt schon der Fall, und zweitens ist dies in meinen Augen ein akzeptabler Preis. Neu ist das ganze außerdem auch nicht. Schön und gut, Goethe und Schiller sind heutzutage weit bekannt, aber wer kümmert sich heute noch um jeden anderen Schleimer der scheinbar in Weimar zwei-dreimal dabei war?
Und wer weiß, vielleicht erblickt der Haufen an losen Notizen in meinem Creative-Writing-Ordner in OneNote auf diese Art auch noch das Licht der Welt?
Kommentare
Kommentar veröffentlichen