Microsoft Surface Go 2 - Der Geist der Netbooks?

Oh Junge, seit November 2020 kein Artikel mehr auf meinem deutschen Blog? Das darf doch nicht wahr sein. Da sieht man mal wieder, wie sehr mich Irland mittlerweile in Beschlag genommen hat. Wie dem auch sei, ich habe ein paar Ideen für Artikel in den nächsten Wochen und Monaten und ich hoffe, dass ich 2021 mindestens einen deutschen Blogpost pro Monat veröffentlichen kann. Falls 2021 sich jedoch als genauso unberechenbar entpuppt wie 2020, kann ich für nichts garantieren. Jetzt aber genug mit dem selbstherrlichen Herumgesülze, los geht's mit dem Artikel!

Einleitung

Vor ein paar Monaten habe ich auf meinem englischen Blog einen Artikel über den vermeintlichen „Tod des Netbooks“ veröffentlicht. Wie manche vielleicht wissen, habe ich mein Blog ursprünglich auf einem Netbook aus der Taufe gehoben, dem Acer Aspire 110L. Während ich mich in dem Artikel mit den Auswirkungen von Microsofts selbstzerstörerischem Kurs unter Steve Ballmer, oder der Arroganz einer selbstverliebten Linux-Community auf Netbooks auseinandersetzte habe ich auch ein paar Worte zu den Surface 2-in-1-Rechnern von Microsoft fallen lassen, inklusive dem Microsoft Surface Go 2, das damals ganz oben auf meiner „Will-haben“-Liste stand. Nun, Ende November 2020 habe ich mich, nicht zuletzt dank eines recht guten Black-Friday-Angebots von Microsoft, dazu entschlossen, endlich zuzuschlagen, und nur zwei Tage später hielt ich das gute Stück zum ersten Mal in meinen Händen.

Leider müssen das Surface Go 2 und ein Type Cover separat bestellt werden. Nicht wirklich kundenfreundlich, Microsoft!

Dank der nach wie vor astronomischen Mieten hier in Irland bin ich budgettechnisch recht eingeschränkt, und so war für mich nur das absolute Basismodell erreichbar, das mit einer eher behäbigen Intel Pentium Gold CPU daherkommt, dem 4425Y mit zwei 1.7GHz-Kernen. Zusätzlich verfügt das Surface Go noch über magere 4GB RAM und nur 64GB eMMC-Speicher. Diese Ausrüstung ist alles andere als beeindruckend, und liest sich teilweise wie die Hardware-Ausstattung der bereits eingangs erwähnten Netbooks. Fairerweise muss man aber auch dazu erwähnen, dass diese recht leistungsarme CPU auch eine recht geringe Wärmeentwicklung mit sich bringt, was es dem Surface Go 2 ermöglicht, ohne Lüfter auszukommen. Es gibt außerdem auch besser ausgestattete Modelle mit 8GB RAM und einer 128-GB SSD, das Topmodell verfügt sogar über eine Intel Core m3 CPU anstelle des Pentium-Chips. Diese Modelle sind aber auch deutlich teurer, insbesondere da das Surface Go 2 ohne Keyboard ausgeliefert wird, doch dazu später mehr.

Erster Eindruck

Hardware

Die Verarbeitung des Surface Go 2 ist beachtlich, das gilt sowohl für das Tablet als auch für das Type Cover.
Der Lieferumfang ist jedoch, wie heutzutage üblich, spartanisch.

Mein lieber Herr Gerichtsvollzieher! Rein optisch und von der Verarbeitung her kann sich das Surface Go 2 wirklich sehen lassen. Nichts, aber auch gar nichts deutet darauf hin, dass es sich bei dem Gerät um ein „Einsteigermodell“ handelt, ganz im Gegenteil. Das Gehäuse aus Magnesium sieht nicht nur solide aus, sondern fühlt sich auch so an, ohne dabei jedoch schwer oder klobig zu wirken. Nicht nur dass, es sieht auch noch einfach gut aus. Die Rückseite des Geräts wird von einem großen ausklappbaren Standfuß dominiert, einem der Markenzeichen der Surface-Reihe, der genau so robust ist wie der Rest des Gerätes. Die Front wiederum wird, wie bei Tablets üblich vom 10.5“-Multitouch-Display dominiert. Auch wenn dieses „Pixelsense“-Display mit einer Auflösung von 1920x1280 und 220 PPI etwas unter den 264 PPI von Apples Retina-Displays zurückbleibt, muss sich das Display wahrlich nicht verstecken. Die Front beherbergt auch die beiden Lautsprecher des Surface Go 2, jeweils links und rechts des Displays. Diese machen ihren Job zwar recht ordentlich, schwächeln aber gerade im Basssegment deutlich. Die Webcam sowie die Sensoren für die Gesichtserkennung mittels Windows Hello sind ebenfalls hier untergebracht.

Alle Ports des Surface Go 2 sind auf der rechten Geräteseite untergebracht.

Bei den Ports gibt sich das Surface Go 2 sparsam. Auf der rechten Seite befindet sich ein Kopfhöreranschluss, ein einzelner USB-C-Port, der auch zum Aufladen des Tablets verwendet werden kann, sowie Microsofts proprietärer Surface Connector über den das Gerät normalerweise geladen wird. Die Unterseite wird vom Anschluss für die Type Cover genannte Tastatur dominiert, während die Oberseite den Lautstärkeregler und den Ein/Aus-Schalter beherbergt. Die linke Seite bleibt indes komplett frei, da sich dort die Magneten befinden, um den optionalen Surface Pen zu fixieren. Ein letztes Feature versteckt sich unter dem Standfuß. Dort ist ein MicroSD-Slot untergebracht, der bei mir persönlich zur Speichererweiterung genutzt wird.

Tastatur

Weiter zur Tastaturproblematik. Ich hatte ja eingangs bereits erwähnt, dass das Surface Go 2 rein als Tablet ausgeliefert wird, ohne Tastatur. Nun ist es zwar durchaus möglich, das Gerät als pures Tablet nur mittels Touch Screen und On-Screen-Tastatur zu verwenden, aber wenn wir ehrlich sind dann müssen wir zugeben, dass Windows 10 einfach nicht als reines Touch-Betriebssystem gedacht ist. Daher bietet Microsoft unter dem Namen Type Cover externe Tastaturen für seine Surface-Reihe an, und damit natürlich auch für das Surface Go 2. Ich würde jedem, der an die Anschaffung eines solchen Geräts denkt nahelegen, die zusätzlichen 100€ in die Hand zu nehmen und gleich ein Type Cover mit zu bestellen. Warum Microsoft dies nicht von sich aus macht, zumindest mit einer günstigeren Variante des aktuellen Type Cover, ist mir absolut schleierhaft.

Das Type Cover lässt sich sowohl leicht angewinkelt, wie hier, oder komplett flach, wie weiter oben dargestellt, verwenden. Ich persönlich bevorzuge die angewinkelte Variante.

Da mein Surface Go 2 von Anfang an als Blogschreibmaschine gedacht war, habe ich mein Gerät gleich zusammen mit einem Type Cover im Farbton Poppy Red gekauft. Um es ganz brutal zu sagen, dass Type Cover war jeden Cent wert! Die Tastatur, die gleichzeitig auch als Cover für das Display dient, sieht nicht einfach nur gut aus, sie ist auch noch robust. Neben dem beleuchteten Keyboard enthält das Type Cover auch noch ein Trackpad, was die Bedienung noch mal angenehmer macht. Die Tastatur selbst gehört zu den besten, mit denen ich bis jetzt gearbeitet habe. Wie die Smart Cover beim iPad lässt sich das Type Cover auch komplett nach hinten umbiegen, wenn man das Surface im Tablet-Modus benutzt. In so einem Fall werden Trackpad und Tastatur automatisch deaktiviert, um Fehleingaben zu vermeiden.

Software

Auch wenn das Surface Go 2 wie ein normales Tablet aussieht, so verbirgt sich hinter dieser Fassade ein stinknormaler PC. Daher läuft auf dem Gerät auch Windows 10, genauer gesagt Windows 10 in S Mode. Dabei handelt es sich um eine leicht eingeschränkte Version von Windows, die es einem nur erlaubt, Apps aus dem Microsoft Store zu verwenden. Außerdem sind bestimmte Systemfunktionen eingeschränkt, und als Browser steht einem ausschließlich Microsoft Edge zur Verfügung. Unter diesen Einschränkungen verbirgt sich jedoch eine ganz normale Version von Windows 10 Home. Es ist mit einem einzigen Klick möglich, S Mode zu deaktivieren und mit der regulären Version von Windows 10 weiterzuarbeiten. 

Praxisimpressionen

Einrichtung

Die Einrichtung des Surface Go 2 ist überraschend einfach, erst recht, wenn man, wie ich, bereits einen Microsoft-Account hat. Einfach im WLAN einloggen, sich mit seinem Microsoft-Account anmelden und Windows Hello einrichten, und das war es auch schon. Bei mir dauerte dieser Teil der Einrichtung keine fünf Minuten. Microsoft Office ist auf dem Surface Go 2 bereits vorinstalliert, so dass Office-365-Abonnenten praktisch sofort loslegen können. Theoretisch. Immerhin gibt es ja auch immer noch die berühmt-berüchtigten Windows-Updates, die eingespielt werden müssen. Auch wenn dies bei weitem nicht mehr so aufwändig ist wie in früheren Zeiten, so kann es doch noch eine ganze Weile dauern bis alle Patches, Updates und Service Packs installiert sind.

Im täglichen Gebrauch

Auf kleinen Cafétischen fühlt sich das Surface Go 2 wie zuhause... wenn man denn mal wieder raus darf.

Das Surface Go 2 ist bei mir seit Anfang Dezember im Einsatz. Aufgrund der andauernden COVID-19-Krise, über die ihr vielleicht was gehört habt, bin ich leider nicht so mobil wie ich es gerne hätte. Ich arbeite seit Mitte März 2020 von zuhause und aufgrund der andauernden Lockdowns ist es nicht immer leicht, mal rauszukommen. Trotz alledem war ich in der Vorweihnachtszeit, bevor der aktuelle Stufe-5-Lockdown hier in Irland ausgerufen wurde, mehrere Wochenenden in der Innenstadt von Cork unterwegs und hatte dadurch die Möglichkeit, das Gerät in seinem natürlichen Lebensraum zu testen. Generell ist das Tablet, den blutarmen Innereien zum Trotz, recht reaktionsschnell. Das Einloggen mittels Windows-Hello-Gesichtserkennung erfolgt generell recht schnell, auch wenn sich das System manchmal etwas verschluckt und mein Gesicht nicht erkennt.

Wenn man erst einmal eingeloggt ist, laufen die meisten Anwendungen recht flüssig, insbesondere Edge und OneNote, beides Anwendungen, die ich sehr häufig nutze. Da ich sehr viel schreibe, wären Aussetzer oder Verzögerungen bei diesen Apps oder auch z.B. Word für mich ein absolutes KO-Kriterium. Bis dato habe ich aber nichts Derartiges erlebt. Microsoft Edge ist, seitdem die Kollegen in Redmond auf das Chromium-Framework umgestiegen sind, mein Standardbrowser sowohl auf meinem Arbeitsrechner als auch auf meinem MacBook. Er steht in seiner Performance Chrome in nichts nach, und alle Extensions, die einem unter Chrome zur Verfügung stehen lassen sich auch in Edge nutzen. Dementsprechend laden die meisten Websites auch recht zügig. Einzig Websites wie YouTube brauchen teilweise einige Zeit. Und dann wäre da noch das Thema Lightroom. Ich nutze Lightroom um bei Exkursionen mit Kamera und/oder Drohne die geschossenen Bilder schnell zu sichten und direkt vor Ort zu bearbeiten, weshalb die Anwendung zu einer meiner meistgenutzten Apps gehört. Auf dem Surface Go 2 „funktioniert“ Lightroom, aber die Performance haut einen beim besten Willen nicht vom Hocker. Die Ladezeiten grenzen an Lieferfristen und die Bedienung an sich ist alles andere als flüssig. Als Notlösung ist es zu gebrauchen, für Nutzer, die darauf angewiesen sind, auch unterwegs Fotos zu bearbeiten wäre ein Surface Pro oder gleich ein iPad die bessere Wahl.

Auch im Außeneinsatz macht das Surface Go 2 eine recht gute Figur, zumindest im Vergleich zur Kaffeetasse daneben. Die Spiegeulung ist durch die Nachbearbeitung in Lightroom etwas übertrieben dargestellt.

Bei all dem sollte man aber immer bedenken, dass ich das Surface Go als „Surfbrett“ und elektronisches Notizbuch gekauft habe, dass ich immer dabei haben kann, wenn ich unterwegs bin oder irgendwann mal wieder im Büro arbeiten sollte. Ein Hochleistungs-Tablet, selbst das aktuelle Basismodell des iPad, wäre für diesen Einsatzzweck überdimensioniert. Im Endeffekt war ich auf der Suche nach einem modernen Netbook-Analog, der bei Bedarf als Tablet genutzt werden kann, und das Surface Go 2 passt auf diese Beschreibung wie die sprichwörtliche Faust auf’s Auge. In gewisser Weise bin ich also zu meinen Anfängen zurückgekehrt. Die Tatsache, dass das Surface Go 2 mit seinen kompakten Ausmaßen auch auf beengten Cafétischen mehr als genug Platz hat, selbst mit angeschlossenem Type Cover, hilft natürlich auch. Es ist allerdings nicht alles Gold, was glänzt.

Dazu zählt nicht zuletzt die Batterielaufzeit. Microsoft behauptet, dass der Akku des Surface Go 2 zehn Stunden durchhalten soll. Ich habe keine Ahnung, wie sie den Wert erreicht haben, 8-9 Stunden sind bei mir momentan das höchste der Gefühle, und sobald Apps wie Netflix oder YouTube zum Einsatz kommen fällt die Batterielaufzeit generell ins Bodenlose. Man muss hier fairerweise sagen, dass meine aktuelle Nutzung des Geräts nicht unbedingt typisch für den normalen Einsatz ist, was wiederum der Lockdown-Problematik hier in Irland geschuldet ist. Ein kompletter Arbeits-, oder Schultag sollte sich mit dem Gerät jedoch bestreiten lassen. Sollte es doch einmal knapp werden, lässt sich das Surface Go 2 über den USB-C-Port mit einer entsprechend leistungsfähigen Powerbank laden.

Windows 10 in S Mode

Ich hatte eingangs ja bereits erwähnt, dass das Surface Go 2 mit Windows 10 S Mode ausgeliefert wird. Im täglichen Betrieb ist dies praktisch nicht von einer regulären Version von Windows 10 zu unterscheiden. Man ist zwar auf Microsofts hauseigenen Browser Edge beschränkt aber wie bereits weiter oben erwähnt ist dieser erstens so oder so mein Standardbrowser und zweitens recht leistungsfähig. Eine weitere, deutlich gravierendere Einschränkung ist, dass man ausschließlich Apps aus dem Microsoft Store installieren kann. Die meisten wichtigen Apps sind in diesem Store zu finden, und wie bereits erwähnt ist Office bereits ab Werk auf dem Gerät installiert, es existieren aber trotzdem einige gravierende Lücken. So sind zwar Netflix und Prime Video ebenso verfügbar wie Audible, aber Kindle, oder Passwort-Manager wie Dashlane glänzen durch ihre Abwesenheit. Das gleiche gilt für die Zeitschriften-App Readly und jegliche Apps von Google.

Dass dies keinen höheren Stellenwert in meiner Bewertung des Surface Go 2 einnimmt hat mit der Verfügbarkeit von PWAs oder Progressive Web Apps unter Windows 10 zu tun. Viele der oben erwähnten Dienste, darunter auch Dashlane und Readly, lassen sich via Edge als PWAs unter Windows 10 installieren, und verhalten sich dann wie lokal installierte Apps. Gerade Readly ist somit praktisch nicht mehr von der iOS-App zu unterscheiden. Dieser Workaround lässt sich natürlich nicht für alle Anwendungen nutzen, gerade für Kindle oder auch Day One, meine Tagebuch-App, gibt es keine Web Apps, die sich derart installieren lassen, es macht das Leben aber trotz allem deutlich einfacher. 

Wer auf Apps angewiesen ist, die nicht im Microsoft Store zur Verfügung stehen, der kann mit einem einzigen Mausklick in den Einstellungen von Windows 10 S Mode zu Windows 10 Home wechseln. Gerade dank der Verfügbarkeit von PWAs ist dies für mich jedoch momentan keine Priorität. Never change a running system, wie es so schön heißt.

Fazit

Was kommt jetzt unter dem Strich heraus beim Surface Go 2? Ist es der iPad-Killer, zu dem einige das Gerät hochgehypt haben, oder ist es ein weiterer Schlag ins Wasser von Microsoft? Wie so oft ist die Wahrheit irgendwo zwischen diesen beiden Extremen zu finden. Das Surface Go 2 ist, zumindest in seiner Basiskonfiguration, alles andere als ein Kraftpaket, da kann Microsoft auf seiner Website noch so blumige Marketingphrasen dreschen. Es ist auch bei weitem kein iPad-Killer. Aber das soll es auch gar nicht sein. Es ist schlicht und einfach ein Einstegermodell in Microsofts Hardware-Ökosystem, und dafür macht es seinen Job ganz gut. Was das Surface Go 2 nicht ist, ist ein unbrauchbarer Briefbeschwerer, auch wenn es einige Tester, bezeichnenderweise vor allem deutsche Tester, gerne so darstellen. Wenn man weiß, wo die Grenzen des Gerätes liegen, kann man damit sogar überraschend viel anstellen. Am besten lässt sich das Surface Go 2 als Nachfolger der Netbooks aus den frühen 2000er-Jahren bezeichnen. Wer so etwas sucht, ein Gerät, mit dem man seinen Schreibkram erledigen, Notizen machen, im Netz surfen und bei Bedarf auch mal einen Film schauen kann, der ist mit dem Surface Go 2 sehr gut bedient, und sollte sich das Gerät auf jeden Fall genauer anschauen. Ich habe meinen Kauf jedenfalls nicht bereut.

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