CUII Bono?

Vorwarnung an alle Leser, ich bin gerade STINKSAUER, wem also eine deftige Wortwahl nicht gefällt, der möge mein Blog bitte SOFORT verlassen. Ihr seid gewarnt worden! Ich bin gerade über ein Video von Christian Solmecke gestolpert. Wem der Name nichts sagt, Herr Solmecke ist Rechtsanwalt mit Spezialisierung auf Medien und Internetrecht bei der Anwaltskanzlei WBS, hat sich beim Widerstand gegen die EU-Urheberrechtsreform engagiert und ist durch seinen YouTube-Kanal, beziehungsweise den Kanal seiner Kanzlei einer der reichweitenstärksten Anwälte in Deutschland. Ich selbst gehöre ebenfalls zu seinen Abonnenten, nicht nur wegen der Inhalte, sondern auch wegen der Präsentation.
Warum ist aber denn nun mein Blut am Siedepunkt angelangt? Nun, ich war seinerzeit recht aktiv im Widerstand gegen die EU-Urheberrechtsreform. Da ich in Irland lebe, habe ich mich vor allem auf Aktivitäten hier auf der grünen Insel beschränkt und weniger auf mein Geburtsland, nicht zuletzt auch aus Rücksicht auf meinen Blutdruck. Leider wurde die EU-Urheberrechtsreform trotz massiver freiheitsrechtlicher Fragezeichen von Brüssel am Ende doch durchgewunken und die Regierungen der Mitgliedsstaaten verpflichtet, sie in ihren jeweiligen Gesetzbüchern abzubilden. 
Soweit, so schlecht, aber auch verständlich. Im Großen und Ganzen macht ein einheitliches Urheberrechtssystem auf EU-Ebene ja auch Sinn. Das Problem fängt damit an, dass Deutschland sich dazu entschlossen hat, den bürgerfeindlichsten, undurchsichtigsten und unverschämtesten Ansatz umzusetzen, und quasi Eins zu Eins die Forderungen der großen Medienhäuser in Gesetzesform zu pressen. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, wurde diese Umsetzung auch noch komplett unter dem Radar vorgenommen, ohne dass man den Bürgern irgendein Mitspracherecht gegeben, oder überhaupt erst mal einen Testlauf durchgeführt hätte, um das neue Vorgehen zu testen. Das Resultat dieser "Bemühungen" ist jetzt seit einigen Tagen in aller "Pracht" zu bewundern. Wer versucht, die Streaming-Seite serienstream. sx aufzurufen, der wird seit einigen Tagen mit diesem Bild konfrontiert.


Diese Seite, über die man offenbar Serien kostenfrei streamen kann, ist aus dem Netz vieler großer deutscher Internetanbieter nicht mehr erreichbar, da sie durch eine DNS-Sperre blockiert ist. Über dieses Vorgehen an sich kann man schon geteilter Meinung sein. Die eigentliche Unverschämtheit ist jedoch eine andere. Diese Sperre ist nämlich nicht aufgrund eines Strafverfahrens erfolgt, oder aufgrund eines Gerichtsbeschlusses. Diese ominöse Clearingstelle für Urheberrecht im Internet ist eine rein private Organisation, betrieben vom Verein "Selbstregulierung Informationswirtschaft e.V." in einer massiven Verunglimpfung des deutschen Vereinsrechts. Immerhin muss man diesen Gestalten zugutehalten, dass sie anscheinend nicht auch noch versucht haben, diesen Verein als Gemeinnützig eintragen zu lassen, was ein absoluter Hohn gewesen wäre.
Dieser Verein ist nämlich kein Verein im klassischen Sinne. Es ist ein Zusammenschluss von Unternehmen und Interessensverbänden aus dem Bereich Internet bzw IT generell. Die von diesem Verein wiederum betriebene Clearingstelle stellt einen ähnlichen unheiligen Zusammenschluss dar, wobei hier neben praktisch allen großen Internetanbietern vor allem Medienverbände wie der Börsenverein des deutschen Buchhandels, der Verband der Filmverleiher oder der Bundesverband Musikindustrie dominieren. Was bezeichnenderweise fehlt sind Bürgerrechtsverbände, Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty bzw. Transparency International, oder überhaupt jegliche Art von Aufsichtsbehörden, die den Umtrieben dieses Vereins Einhalt gebieten könnte.



Und ja, Umtriebe ist hier das richtige Wort, leider. Diese Clearingstelle ist nämlich nicht nur berechtigt, DNS-Sperren, a.k.a. Netzsperren anzufordern, sie kann diese auch gleich umsetzen. Nicht vergessen, alle großen deutschen Internetanbieter sind Mitglieder, das heißt das derartige Sperren im Endeffekt In-House auf den Weg gebracht werden können. Schön und gut, diese Entscheidungen werden durch einen Prüfausschuss getroffen, man ist also nicht einem einzelnen Prüfer ausgeliefert, dessen Entscheidungen davon abhängen, ob seine Frau ihn in der Nacht zuvor rangelassen hat oder nicht. Wer genau in diesem Prüfausschuss sitzt, wird jedoch nicht angegeben. Richtig gelesen, man hat es hier mit einer komplett anonymen Entscheidungsstelle zu tun.
Nun könnte man der Clearingstelle zugute halten, dass sie ihre Sperranordnungen, euphemistisch "Empfehlungen" genannt, immerhin veröffentlicht, so dass man selbst nachlesen kann, was Sache ist. Aber Pustekuchen, praktisch ALLE wichtigen Punkte in der einzigen bis dato veröffentlichten "Empfehlung" sind geschwärzt. Man erfährt nicht, was den Ausschlag für die Sperrung gegeben hat, wer den Antrag gestellt hat, etwaige vorherige Schritte um die Situation zu bereinigen werden zwar angesprochen, jedoch werden sämtliche Anhänge zurückgehalten, es besteht also keine Möglichkeit, sich selbst ein Bild von der Sache zu machen. Die größte Unverschämtheit ist jedoch, dass nicht einmal die Namen der Entscheider öffentlich gemacht werden. Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen. Bei jedem Gerichtsverfahren, selbst bei Fällen von internationalem Terrorismus oder organisierter Kriminalität im großen Stil, sind die Namen der Richter öffentlich, ebenso die Namen der Staatsanwälte, Gutachter etc.. Der Clearingstelle Urheberrecht im Internet ist jedoch selbst dieser letzte Rest an Anstand abhanden gekommen. Franz Kafka hätte seine helle Freude dran.


Nun muss man hier fairerweise der Clearingstelle zugestehen, dass die Entscheidung in diesem Fall an sich recht nachvollziehbar ist. In einem der wenigen klar ersichtlichen Teile der Empfehlung ist aufgeführt, dass die Website sich über Jahre hinweg durch Hostingwechsel, der aktuelle Hosting-Provider ist in Russland und reagiert nicht auf Kontaktaufnahmen, ebensowenig der CEO direkt oder die Registrierungsstelle. Insofern ist hier durchaus von einem illegalen Angebot auszugehen, weshalb eine Sperrung zumindest nachvollziehbar wäre. Und ganz offen, wenn dies infolge eines Gerichtsverfahrens erfolgt wäre, mit entsprechenden Möglichkeiten zur Berufung oder Anfechtung des Urteils, dann wäre ich nicht weiter empört und hätte es vermutlich nicht mal zur Kenntnis genommen. 
Das beängstigende an der aktuellen Struktur ist jedoch die komplette Aushebelung aller rechtsstaatlichen Prozesse durch ein anonymes Gremium dessen Entscheidung keinerlei Aufsicht oder Kontrolle unterliegen. Das sind Strukturen, wie sie in einer Diktatur vorliegen. Xi Jinping wäre sichtlich angetan von einem derartigen Konstrukt. Erich Mielke hätte sich vermutlich vor Freude eingenässt, sofern dass nicht aufgrund seines Alters so oder so geschehen wäre. Ja, die CUII ist rein für das Vorgehen gegen Urheberrechtsverletzungen gedacht, und ja, ich gehe auch so weit, den aktuellen Mitgliedern des Entscheidungsgremiums auch die nötige freiheitliche Gesinnung zuzugestehen, um missbräuchliche Sperranfragen zu blockieren. Wenn man sich jedoch anschaut, wie undurchsichtig die Entscheidungsprozesse und Verantwortlichkeiten aufgebaut sind, dann wird schnell klar, dass sich eine derartige Organisation viel zu leicht von totalitären oder antidemokratisch gesinnten Personen missbrauchen lässt. In einer Zeit, in welcher der Faschismus sich immer unverschleierter in der Öffentlichkeit zeigt, ist dies erschreckend. 

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