Auswandern nach Irland - Aber bitte Richtig!

Auswandern ist für viele Menschen momentan wieder ein großes Thema. Die Stimmung in Deutschland wird, zumindest nach den Medienberichten, die ich hier in Irland sehe, immer aufgeheizter, und auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie lassen bei vielen Menschen den Wunsch aufkommen, in einem anderen Land einen Neuanfang zu versuchen. Irland ist da immer wieder ein Name, der in der Diskussion auftaucht. Viele waren bereits hier im Urlaub, es ist ein Land, das nicht allzu weit weg ist, landschaftlich wunderschön ist, und auch wirtschaftlich ganz gut dasteht. Ich kann all diese Überlegungen sehr gut nachvollziehen, ich bin ja schließlich im August 2012 selbst nach Irland ausgewandert.

Und trotzdem scheint bei einigen, gerade in den letzten zwei bis drei Jahren, dieser Wunsch nach einer Flucht aus dem vertrauten, aber einengenden Deutschland den Blick auf die Wirklichkeit zu verdecken. Mir ist in letzter Zeit sowohl in Auswanderergruppen auf Facebook & co. als auch bei der Suche nach neuen Mitarbeitern für meinen aktuellen Arbeitgeber immer wieder aufgefallen, dass immer mehr Menschen hier in Irland ankommen, ohne zu wissen, was es eigentlich bedeutet, hier auf der grünen Insel Fuß zu fassen. In diesem Blog-Post will ich versuchen, einen Überblick über die grundlegenden Fakten und Stolperstricke zu geben, die potentielle Auswanderer beachten sollten.

Grundlegendes

Bevor man ins Flugzeug steigt um ein neues Leben anzufangen, sollte man bereits einiges an Zeit in eine vernünftige Vorbereitung investiert haben!

Erst mal ein paar grundlegende Fakten. Die Infrastruktur in Irland ist, um es diplomatisch auszudrücken, verbesserungswürdig. Auch wenn die wichtigen Fernstraßen oft recht gut ausgebaut sind, so konzentriert sich das Autobahnnetz praktisch ausschließlich auf Dublin. Auch wenn praktisch alle größeren Städte direkten Autobahnanschluss nach Dublin haben, so gibt es praktisch keine Querverbindungen. Das gleiche gilt für das Eisenbahnnetz, in dem wiederum fast alle Wege nach Dublin führen, und sich dort noch dazu auf drei Bahnhöfe (Heuston, Connolly und Pearse Station) verteilen. In ländlichen Gegenden findet öffentlicher Nahverkehr, egal ob schienengebunden oder per Bus, oftmals gar nicht statt. 

Ob Fernzüge,...

...Pendlerzüge,...

...oder Busse, die Abdeckung kann in Irland deutlich fluktuieren!

Mit Internetanschlüssen sieht es ähnlich aus. Auch wenn sich die Abdeckung in den Großstädten wie Dublin, Cork, oder Galway kaum von der in Deutschland unterscheidet, sieht es auf dem Land oftmals anders aus. Nach dem Central Statistics Office haben nur durchschnittlich 73% der Haushalte in den Border Counties an der Grenze zu Nordirland und nur 80% der Haushalte entlang der Westküste einen Breitbandanschluss. Da es sich hierbei um Durchschnittswerte handelt, kann man davon ausgehen, dass die Hauptstädte der jeweiligen Counties sowie die Versorgungszentren ähnliche Zahlen aufweisen, wie Dublin oder Cork, während auf dem Land oftmals keinerlei Abdeckung vorliegt.

Die deutsche Gemeinde in Irland ist überraschend klein. Laut der Volksbefragung von 2016, dem letzten vollen Datensatz, leben knapp 11.500 Deutsche in Irland. Ein Großteil davon konzentriert sich auf die großen Ballungsräume, allem voran Dublin, Cork und Galway. Es gibt noch dazu kleinere deutsche Gemeinden in West Cork, Kerry und aus unerfindlichen Gründen auch in Wexford. Knapp ein Fünftel der deutschen Auswanderer in Irland ist in der IT-Industrie tätig, was auch einen Großteil der Verteilung erklärt. Bei so einer kleinen deutschen Gemeinde ist es nicht weiter verwunderlich, dass die „Infrastruktur“ ziemlich mager ist. Mir ist zum Beispiel nur ein einziges deutsches Restaurant in Irland bekannt, das Schnitzelhaus in Wexford. Es gibt darüber hinaus noch ein paar Bäckereien, so zum Beispiel in West Cork, aber keine deutschen Supermärkte, erst recht nicht, da Aldi und Lidl ihre Angebote sehr stark an den irischen Markt angepasst haben. Die besten Optionen für kontinentale Lebensmittel sind oftmals polnische Supermärkte oder Onlinehändler wie German Products Ireland.

Sprache

Bei einer derartig kleinen deutschen Gemeinde ist es in meinen Augen essenziell, die Landessprache zu beherrschen. Für Irland heißt das vor allem Englisch. Ernsthaft, Deutsch spricht hier kaum jemand, und auch denjenigen, die in irgendwelchen keltischen Fantasiesphären schweben, muss ich hier einen Zahn ziehen, und zwar ohne Betäubung, denn auch Irisch spricht hier kaum jemand, sofern man nicht gerade in einem der wenigen Gaeltacht-Gebiete lebt. Unabhängig davon setzen ALLE großen Arbeitgeber Englisch voraus, erst recht die diversen multinationalen Konzerne und IT-Unternehmen, die überhaupt deutschsprachige Mitarbeiter suchen. Auch in rein deutschsprachigen Teams wird Englisch erwartet. Es muss nicht perfekt sein, und erst recht nicht akzentfrei, aber man sollte sich ohne Schwierigkeiten unterhalten können. Dies ist umso wichtiger, als das Behördengänge, Arztbesuche oder die Wohnungssuche ohne Englisch praktisch unmöglich sind.

Wohnraum

Ob Neubaugebiete wie dieses im Speckgürtel um Cork...

... oder Altbauten, eine Wohnung zu finden ist in Irland momentan alles andere als einfach!

Ich kann es nicht diplomatisch ausdrücken: Irland steckt in einer massiven Wohnraumkrise, und es sieht nicht so aus, als ob sich dies in nächster Zeit ändern wird. Sowohl Mieten als auch Hauspreise sind astronomisch, selbst außerhalb der Großstädte. Günstige Wohnungen sind fast nicht zu bekommen. Laut dem Immobilienportal daft.ie, dem irischen Gegenstück zu immobilienscout und co., beträgt die durchschnittliche Miete in Irland 1477€ - Kalt! Die Großstädte sind hier erwartungsgemäß die größten Preistreiber, so liegt die Durchschnittsmiete in Dublin jenseits der 1900€, während Cork City mit einer Durchschnittsmiete von 1524€ geradezu ein Schnäppchen ist. Bei den typischen Einstiegsgehältern hier in Irland kommt man mittlerweile nicht mehr drum herum, in eine WG zu gehen.

Für potentielle Hauskäufer sieht die Situation nicht viel besser aus. Auch hier sind die Durchschnittspreise meilenweit jenseits von Gut und Böse! Der aktuelle Durchschnittspreis für ein Einfamilienhaus liegt laut dem CSO momentan bei 265.000€. Auch hier sind es die Großräume und ihre Speckgürtel, die diese Preise nach oben treibe. So beträgt der Durchschnittspreis für ein Haus im Großraum Dublin mittlerweile knapp 470.000€, während er in Cork bei knapp 276.000€ liegt. Außerhalb der Großstädte und abseits der großen Pendlerrouten sind die Preise erwartungsgemäß geringer, aber sobald man in die Nähe eines touristischen Hotspots kommt, steigen die Preise wieder an. Der Durchschnittspreis für Häuser in Kinsale liegt zum Beispiel mit 345.000€ deutlich über dem Preis im nahegelegenen Cork.

Gesellschaft

Die Irische Gesellschaft ist in gewisser Weise ein Paradox. Einerseits ist sie deutlich weniger reglementiert als Deutschland. Es gibt kein zentrales Meldewesen, wer als EU-Bürger nach Irland zieht, muss sich nicht bei einem Einwohnermeldeamt oder der Ausländerbehörde registrieren. Prepaid-SIM-Karten für Mobiltelefone sind ohne Adressangabe zu bekommen, und die Tarife sind oftmals recht großzügig. Nichtsdestotrotz ist es erforderlich, eine PPS-Nummer zu beantragen, wenn man in irgendeiner Art und Weise legal in Irland leben möchte. Ohne PPS-Nummer gibt es keine Bankkonten, Arztbesuche, Wohnungen, oder auch einen Job. Ernsthaft, diese Nummer ist der Schlüssel, den man braucht, um auf jegliche Art von staatlichen Hilfen oder Dienstleistungen zuzugreifen. Kein Arbeitgeber wird euch ohne PPS-Nummer einstellen.

Generell ist Irland auch sozial gesehen ein sehr liberales Land. Auch wenn einige Ewiggestrige krampfhaft versuchen, einen aus den USA importierten Kulturkampf vom Zaun zu brechen, ist Irland überraschend aufgeschlossen. Das Irland im Jahr 2015 gleichgeschlechtliche Ehen per Referendum legalisiert hat, kommt nicht von ungefähr. Auch anderen Religionen oder Ethnien gegenüber ist man in Irland recht offen. Das gilt übrigens nicht nur für die großen Städte wie Dublin oder Cork, auch in ländlichen Regionen ist diese Einstellung weit verbreitet, und selbst Menschen, die vielleicht so viel mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen anfangen können legen oftmals eine „Leben und leben lassen“-Einstellung an den Tag. Natürlich ist nichts perfekt. Leider kämpft man auch in Irland immer noch mit Rassismus, Homophobie und Transphobie, und ähnlicher Diskriminierung. Trotz alledem ist Irland jedoch bei weitem nicht so erdrückend und verkrampft wie Deutschland.

Zeitgleich ist Irland aber auch sehr stark zentralisiert. Salopp gesagt, ohne Dublin läuft hier nix! Das Autobahn-, und Eisenbahnnetz ist praktisch ausschließlich darauf ausgelegt, Dublin mit der „Provinz“ zu verbinden, und auch sonst haben die 26 Counties von Irland kaum Entscheidungsbefugnisse. Auch wenn es natürlich in allen größeren Städten Sozialämter und ähnliche Einrichtungen gibt, so haben diese oftmals kaum eigene Ermessungsspielräume. Einwände, Beschwerden und ähnliches müssen oftmals über Dublin erfolgen. Gleiches gilt auch für den Umgang mit Krisen, was gerade während der COVID-19-Lockdowns klar wurde. Die Vorgaben, die im Zuge der Lockdowns von der Regierung in Dublin gemacht wurden, wurden landesweit einheitlich umgesetzt. Man konnte also nicht mal eben über eine County-Grenze fahren, wenn einem die Beschränkungen im eigenen Wohnort zu streng erschienen. Und die Maßnahmen hier in Irland waren drakonisch. Nicht nur dass alles was nicht absolut essenziell war, geschlossen wurde, es gab auch drastische Bewegungsbeschränkungen. Man konnte sich ohne triftigen Grund nicht mehr als 5 Kilometer von seinem Wohnort entfernen und ja, das ganze wurde kontrolliert. Auf allen größeren Straßen gab es Checkpoints der Garda, der irischen Polizei. Die Strafen hatten es gleichfalls in sich, und es ist zum Zeitpunkt, wo ich diesen Blog-Post schreibe, noch nicht sicher, ob wir diesen Winter ohne ähnliche Einschränkungen überstehen werden. Falls also irgendwer meint, er müsse vor einer vermeintlichen „Merkel-Diktatur“ (echt jetzt???) nach Irland fliehen, lasst es einfach. Wir haben hier so schon genug Spinner, da brauchen wir euch nicht auch noch!

Arbeitsmarkt

Ein Großteil der Jobs für Deutsche in Irland findet sich definitiv im IT-, und Dienstleistungssektor.

Zum Schluss ein etwas erfreulicheres Thema, dem Arbeitsmarkt. Hier sieht es für Deutsche nämlich recht gut aus. Als stärkster Wirtschaftsraum der EU ist Deutschland ein Primärziel für alle Arten von Unternehmen, und gerade High-Tech-, und IT-Unternehmen nutzen oftmals Irland als Basis, um kontinentaleuropäische Märkte zu bedienen. Das heißt auch, dass sie oftmals deutschsprachige Teams in Irland sitzen haben, um ihre lokalen Teams zu unterstützen und dem jeweiligen HQ einen direkteren Zugang zu geben. Wer also halbwegs brauchbare Englischkenntnisse aufweist, das Thema Sprache hatten wir ja weiter oben schon, und nicht komplett auf den Kopf gefallen ist, sollte in Irland keine Schwierigkeiten haben, einen Job zu finden.

Gerade IT-Konzerne wie Apple, hier der Apple-Campus in Cork nach seiner Modernisierung 2015,  suchen fast immer händeringend nach Deutschen.

Hierbei sollte man aber beachten, dass viele der Unternehmen, die am dringendsten deutschsprachige Mitarbeiter suchen, in den großen Ballungsräumen, also Dublin, Cork, und in geringerem Maße Galway, ansässig sind, was natürlich wieder höhere Mieten bedeutet. Hier in Cork sind das neben Apple vor allem Voxpro/Telus, DellEMC, VMware, oder Amazon, während Dublin das Revier von Google, Facebook, Microsoft, LinkedIn oder Indeed ist. Galway indessen ist vor allem die Heimat von SAP, der Games-Schmiede EA und HP. Zusätzlich gibt es noch diverse kleinere Unternehmen, die neben den großen Platzhirschen zu finden sind. Gerade für Berufseinsteiger sind auch Outsourcer wie Voxpro interessant, auch wenn das Arbeitsumfeld dort oft stressig ist. Einer der großen Vorteile des irischen Arbeitsmarkts ist, dass Unternehmen hier generell deutlich flexibler sind als in Deutschland. Fristen wie „vier Wochen zum Monatsende“ gibt es in Irland kaum, oftmals reichen zwei bis drei Wochen aus, um einen neuen Job anzufangen. Gleichzeitig ist es in Irland deutlich leichter, den Karrierepfad zu wechseln, erst recht, wenn man gefragte Sprachkenntnisse wie z.B. Deutsch aufweisen kann. Ich selbst bin in den fast zehn Jahren, die ich mittlerweile in Irland lebe, vom technischen Kundendienst in den Vertrieb gewechselt, bevor ich meinen aktuellen Job als Analyst gefunden habe. Generell gilt außerdem Erfahrung deutlich mehr als Abschlüsse, was gerade für mich als Schulabbrecher natürlich ein Riesenvorteil ist. Die Kehrseite ist, dass die gesetzlichen Kündigungsfristen hier in Irland deutlich kürzer sind, normalerweise maximal zwei Wochen, und auch die Schwelle, ab der eine Kündigung gerechtfertigt ist, ist in Irland deutlich niedriger. 

Viele Unternehmen in Irland, gerade die großen Namen wie Apple oder Voxpro, bieten oftmals Relocation Packages an, die für Kandidaten, die aus Deutschland nach Irland ziehen, die Flugkosten, Umzugskosten sowie Unterkunft abdecken. Apple hat 2012 z.B. diese Kosten für mich übernommen. Gleichzeitig helfen viele Unternehmen auch bei der Beantragung von PPS-Nummern, der Eröffnung von Bankkonten und ähnlichen Schritten, um in Irland Fuß zu fassen. Die genaue Ausgestaltung und die Bedingungen hängen dabei vom jeweiligen Arbeitgeber ab. Gleiches gilt für Benefits Packages, die hier in Irland oftmals deutlich großzügiger sind als in Deutschland. Hier kann ich nur raten, dass ihr euch auf den Websites der jeweiligen Unternehmen umschaut, aber auch auf Seiten wie Indeed oder Glassdoor. Macht das aber bitte, bevor ihr nach Irland fliegt. Bei den aktuellen Lebenshaltungskosen sind etwaige Ersparnisse ansonsten sehr schnell aufgebraucht. Ach ja, und AKTUALISIERT EUER LINKEDIN-PROFIL!!! 

Und das war’s an dieser Stelle auch erst mal. Ich werde unten noch ein paar wichtige Links für potentielle Auswanderer auflisten, damit ihr euch weiter informieren könnt. Dieser Post soll erst mal nur als Einstieg dienen um bei der Vorbereitung eines etwaigen Umzugs zu helfen und ist in keiner Weise als verbindliche Empfehlung oder Ratschlag anzusehen. Er dient rein als Informationsquelle, und ist nicht dazu gedacht, eigene Recherchen zu ersetzen!

Links

Allgemeine Informationen

Citizen’s Information – Bürgerinformationsportal

https://www.citizensinformation.ie/en/

Department of Social Protection – Sozialamt

https://www.welfare.ie


Wohnungssuche

Daft.ie – Irlands größte Immobilienwebsite

https://www.daft.ie

Rent.ie – Alternative Immobilienwebsite

https://www.rent.ie/


Bus & Bahn

Transport for Ireland – Dachorganisation für den öffentlichen Nahverkehr in Irland

https://www.transportforireland.ie

Leap Card – Die kombinierte Chipkarte für den öffentlichen Nahverkehr

https://www.leapcard.ie/

Dublin Bus – Betreibt die Stadtbusse in Dublin

https://www.dublinbus.ie

LUAS – Die Dubliner Stadtbahn

https://www.luas.ie

Irish Rail - Die Irische Staatsbahn 

https://www.irishrail.ie/

Bus Éireann – Das staatliche Busunternehmen

https://www.buseireann.ie

Aircoach – Privater Fernbusbetreiber

https://www.aircoach.ie

Go Bus – Privater Fernbusbetreiber

https://gobus.ie

Citylink – Privater Fernbusbetreiber 

https://www.citylink.ie

Dublin Coach – Privater Fernbusbetreiber

https://www.dublincoach.ie/


Jobsuche

Indeed.com

https://ie.indeed.com

Jobs.ie

https://www.jobs.ie

Monster.com

https://www.monster.ie

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