München und die "Killerspiele" - Die Leichenfledderei geht wieder los!

Und wieder mal muss ich mir die blanke Wut von der Seele schreiben, also sorry, wenn die Wortwahl etwas deftiger wird. Ach ja, und falls sich irgendein Politiker oder sonst jemand durch das, was jetzt folgt angegriffen fühlt, kann ich nur sagen: Heul doch!!
Worum es geht? München. Die Ereignisse am vergangenen Freitagabend haben jedem vernunftbegabten Menschen das Blut in den Adern gefrieren lassen. Ein 18-Jähriger Schüler hat in einer absolut abscheulichen Gewaltorgie 9 Menschen und dann sich selbst getötet, sowie 27 weitere Menschen schwer verletzt. Wie mittlerweile ans Tageslicht gekommen ist, litt der Täter, David S., an einer psychischen Erkrankung, und war deswegen in Behandlung. Zusätzlich war er offenbar über Jahre hinweg von seinen Mitschülern gemobbt worden. Welche katastrophalen Auswirkungen jahrelanges Mobbing haben kann, habe ich leider am eigenen Leib schmerzlich erfahren müssen. Daher ist auch eine der Reaktionen von David S. mehr als nachvollziehbar: Der Rückzug in sich selbst, sowie in selbst gestaltete oder virtuelle Fantasiewelten, nicht zuletzt Computerspiele. Und da liegt auch schon wieder der Hund begraben.
Denn anstatt dass sich die Entscheidungsträger mit den wirklich harten Fragen in diesem Fall befassen, nämlich wie es angehen konnte, dass ein junger Mensch über Jahre hinweg so terrorisiert werden konnte, das er im Endeffekt daran zerbrochen ist, warum es keinerlei Auffangmechanismen oder entsprechende Betreuung in der Schule dafür gab, gehen unsere werten Volkszertreter gleich wieder auf die bööööösen “Killerspiele” und Egoshooter los. Egal ob es jetzt die Charakterlosigkeit vom Dienst, CDU-Fraktionsvorsitzender Volker Kauder ist, oder unser “werter” Bundesinnenminister, Thomas die Misere. Gerade bei letzterem könnte ich doch glatt im Kreis kotzen, um mich am Vokabular einer ehemaligen Kollegin zu vergreifen. 

Dieser Bundesinnenminister, der es vor nicht allzu langer Zeit noch fertig gebracht hat, der Bevölkerung zu unterstellen, sie sei strunzdumm und sei nicht in der Lage, mit unangenehmen Wahrheiten zu leben (“…ein Teil meiner Antwort würde Sie verunsichern.”), behauptet doch plötzlich, das “…unerträgliche Ausmaß von gewaltverherrlichenden Spielen im Internet auch eine schädliche Wirkung auf die Entwicklung von Jugendlichen hat. Das kann kein vernünftiger Mensch bestreiten.” Dieses “Individuum”, als Mensch kann ich die Misere beim besten Willen nicht bezeichnen, da dies ein Mindestmaß an Charakter und Anstand erfordern würde, behauptet weiters, dass seine Aussage durch “viele Studien” untermauert werden würde. Welche Studien das sind, verschweigt er allerdings. Warum nur?  Befürchtet er wiederum, ein Teil seiner Antwort würde uns verunsichern? Wohl eher weniger, der wissenschaftliche Konsens geht nämlich ganz eindeutig in die andere Richtung, dass es nämlich keinen negativen Einfluss gibt. Eine am 28.1. diesen Jahres veröffentlichte Studie, 'Prospective Investigation of Video Game Use in Children and Subsequent Conduct Disorder and Depression Using Data from the Avon Longitudinal Study of Parents and Children’  von PJ Etchells, HR Gage, AD Rutherford, und MR Munafò von den Universitäten Bristol, Bath, und vom University College London, ist nur die letzte in einer ganzen Reihe derartiger Studien. 
Den Vogel schießt aber nicht Thomas die Misere ab, sondern eine ganz andere Gestalt, die es schafft, sogar unseren Innenminister noch vernünftig aussehen zu lassen. Hermann Utz, seines Zeichens Kriminaldirektor (Was immer das auch sein mag), und der lebende Beweis, dass man im öffentlichen Dienst komplett ohne Intelligenz, logisches Denken, Sachverstand, oder überhaupt irgend eine Art von Verstand weiterkommen kann, hat doch tatsächlich vom Stapel gelassen, der Täter habe sich seinem Eindruck nach “…wie in einem Computerspiel bewegt.” wie darf ich mir das vorstellen? Ist er mit der Pistole an eine Wand gestoßen, hat aber trotzdem weiter die Beine geschwungen, als wäre er gelaufen? Hing er auf einmal mitten in der Luft, weil er auf ein unsichtbares Objekt, oder eine Kollisionsbox gestoßen ist? Ist er auf einmal durch eine Wand geglitcht? Anders kann ich mir nämlich nicht vorstellen, das man sich wie in einem Computerspiel bewegen kann. Die Aussagen Volker Kauders lasse ich mal demonstrativ unkommentiert, der Typ ist so oder so nur noch als Werbung gegen das Abtreibungsverbot zu gebrauchen!
Wenn man meine bewusst überspitzten Beschreibungen mal beiseite lässt, so zeigt sich hier wieder mal vor allem eines. Ein beträchtlicher Teil unserer selbsternannten Eliten und Leistungsträger hat hinten und vorne keinen Plan, wie die Unterhaltungswelt heutzutage aussieht, vor allem die Generation 50 Plus. Ich bin heilfroh, meine Eltern aus dieser Gruppe herausnehmen zu können, immerhin habe ich meine ersten Ego-, und Horror-Shooter-Erfahrungen meinem Vater zu verdanken, der mir, sicher außerhalb Deutschlands, die absoluten Klassiker Doom und System Shock näher gebracht hat, wobei mir letzteres immer näher lag. Aber zurück zum Thema. 
Unsere Problem-Eliten sind nämlich schlicht und ergreifend nicht in der Lage, die massive Spanne an aktuell verfügbaren Spielen zu erfassen, und die teilweise zig verschiedenen Ebenen, auf denen diese Spiele funktionieren, sind dabei noch eine Stufe über dem Verständnis dieser Herrschaften. Nehmen wir mal CS:GO, das Spiel, in dass sich David S. in den Monaten und Jahren vor seinem Amoklauf vertieft hat. Ja, es ist ein Egoshooter, mit allem, was dazugehört. Ein beträchtliches Waffenarsenal vom Messer über diverse Arten von Pistolen, Revolvern, Maschinenpistolen, bis hoch zu Sturmgewehren, leichten Maschinengewehren, und Scharfschützengewehren. Und ja, es geht darum, seine Gegner mit diesen Waffen auszuschalten, und da CS:GO ein MMO ist, sind diese Gegner zwangsläufig andere Spieler. Dabei ist CS:GO jedoch alles andere als gewaltverherrlichend, es fließt kaum Blut, und der Wettkampfgedanke steht im Endeffekt im Vordergrund. Nicht umsonst ist CS:GO einer der ersten Titel, der im E-Sports-Bereich wirklich erfolgreich war. Ich selbst habe CS:GO als ich noch jünger war auch gerne gespielt, dann aber aufgehört, weil mir das Spieltempo einfach zu hektisch war. Wirklich besorgniserregend ist dieses Spiel jedoch definitiv nicht.
Auch andere Spiele sind unseren “Tugendwächtern”, sofern man diesen Ausdruck bei unserer hyperkorrupten Politiklandschaft überhaupt verwenden kann, ein Dorn in Auge, dabei reicht die Bandbreite von der GTA-Serie bis hin zu Mass Effect. Bei GTA ist es auf den ersten Blick sogar verständlich, dass sich Leute darüber aufregen, das Spiel geht SEHR offen mit den Themen Gewalt, Kriminalität, Drogen, und Sex um. Wer allerdings die ersten 30 Minuten in der Spielwelt verbracht hat, dem fällt sofort auf, was für eine bitterböse Satire auf die westliche, und vor allem auf die US-Gesellschaft dieses Spiel ist. Es ist im Endeffekt ein riesiger Zerrspiegel, der einem von den Entwicklern von GTA nicht nur vor die Nase gestellt, sondern im Endeffekt sogar mit Schmackes über den Schädel gezogen wird, wie es selbst der Backpfeifen-Karajan höchstselbst, Bud Spencer, nicht besser hinbekommen hätte. 
Und Mass Effect? Nun, das Spiel, im Endeffekt die ganze bisherige Serie, geht recht offenherzig mit den Beziehungen zwischen Commander Shepard und seiner Besatzung auf der SSV Normandy um. Das es dabei recht erwachsen zugeht, ist zu erwarten, vor allem da ab dem 2. und 3. Teil durchaus auch gleichgeschlechtliche Beziehungen möglich sind. Dies ist bei einem Spiel, das im Endeffekt für Erwachsene gedacht ist, durchaus nichts ungewöhnliches, und die Mass-Effect-Serie geht im Laufe ihrer drei Teile auf eine ganze Reihe unbequemer Themen ein, Rassissmus, Nationalismus und Völkermord sind nur drei davon, Mass Effect 2 handelt praktisch von kaum etwas anderem, auch wenn einige Rahmenmissionen sich drum herum erstrecken. Allerdings sind diverse “besorgte” Politiker hier direkt auf die vermeintlich sexuelle Komponente von Mass Effect angesprungen, wieder mal ohne sich mit den Subtexten, die wirklich nicht tief unter der Oberfläche liegen, zu beschäftigen. 
Die Politiker sind dabei jedoch leider nicht alleine, die Medien in Deutschland hauen kräftig mit drauf auf die Gamer. Sei es RTL, die sich bei Berichten über Veranstaltungen wie die Gamescom regelmäßig selbst niveautechnisch unterbieten (Was eigentlich schon eine Meisterleistung ist, so grottenschlecht, wie RTL unterwegs ist), oder Rektal 21, ein Magazin unserer eigentlich zur Objektivität verpflichteten Öffentlich-Rechtlichen, die Berichte über Gamer, oder auch andere Computer-affine Menschen, wie Youtuber, derart manipulativ und verlogen aufbauen, dass selbst eine nordkoreanische Nachrichtensendung wie ein Hort der Objektivität wirkt, durch die Bank gilt die Devise “Immer feste drauf”, wer dieser Berichterstattung kritisch gegenüber steht, einfach gleich mit lächerlich gemacht.

Das ist es im Endeffekt dann auch, was die Reaktionen auf den Amoklauf von München dominiert. Man konzentriert sich auf das oberflächliche, anstatt die wirklich ernsten Fragen, die diese Wahnsinnstat aufgeworfen hat, in Angriff zu nehmen. Die psychischen Probleme des Amokläufers von München ähneln frappierend denen von Tim K., der 2009 in Winnenden 15 Menschen tötete, und 11 weitere verletzte. Der Aufschrei war damals riesig, und es wurde von allen Seiten versprochen, man würde alles tun, um eine Wiederholung dieser schrecklichen Tat zu verhindern. Jetzt, im Jahr 2016, kann man nur sagen: Tja, hat ja wohl super geklappt! Glückwunsch. Den großen Worten sind, wie so oft, keine Taten gefolgt. Eine vernünftige psychologische Betreuung an Deutschen Schulen findet oftmals nach wie vor nicht statt, die Mittel dafür werden entweder gekürzt, oder von Schulen schlicht und einfach nicht abgerufen, da dort das Problembewusstsein fehlt. Sogenannte “Vertrauenslehrer” sind oftmals ein Witz, und anstatt schul-, oder länderübergreifende Konzepte gegen Mobbing zu entwickeln, und durchzusetzen, lässt man es auf Einzelinitiativen ankommen. Gerade in einem Bundesland wie Bayern, dass sich ja regelmäßig an seinem ach so tollen Schulsystem aufgeilt, hätte ich mehr erwartet.
Andererseits, was ist vom deutschen Schulsystem anderes zu erwarten? Es hat sich halt mittlerweile zu einem System entwickelt, bei dem noch vor einsetzen der Pubertät darüber entschieden wird, ob ein Schüler ein Anrecht und eine Chance auf ein lebenswertes Leben hat, oder nicht, und der Verweis auf eine Hauptschule gleicht heute einem gesellschaftlichen Todesurteil. Selektion ist halt immer noch wichtig für die deutschen, und nachdem es Gott sei Dank nicht mehr akzeptabel ist, diese an einer Rampe stattfinden zu lassen, findet diese Selektion halt jetzt in der Schule statt. Offenbar ist es für die meisten Deutschen angenehmer, ein Leben gleich in der Schule zu verdammen, als mittendrin abzubrechen. Das so etwas natürlich den psychischen Druck auf Schüler weiter verstärkt, sollte jedem klar sein, und wenn dann noch Mobbing dazu kommt, das aufgrund der bereits angesprochenen jahrzehntelangen Unfähigkeit der Bildungspolitik praktisch nicht effektiv bekämpft wird, dann wundern einen Amokläufe wie der von München nicht mehr. Es ist vielmehr verwunderlich, dass es nicht noch mehr gibt.
Dies alles ist unseren hochverehrten Politikern, allen voran denen aus der Partei, die den Ausdruck “christlich” im Namen trägt, die Bedeutung dieses Wortes jedoch schon vor Jahrzehnten verraten hat, jedoch schnurzpiepegal. Ihnen geht es nur darum, sich selbst als Macher zu profilieren. Dass sie sich dabei an den unschuldigen Opfern des Amoklaufs von München vergreifen, praktisch verbale Leichenschändung betreiben, ist ihnen entweder nicht bewusst, oder es ist ihnen schlicht scheißegal.  Ich persönlich gehe von letzterem aus. 

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