Warum Pokemon Go doch nicht so neu ist, wie immer behauptet wird.
Pokemon. Man kommt momentan einfach nicht um diese Biester herum, egal was man versucht. Und glaubt mir, ich habe es versucht. Das bizarrste an der ganzen Geschichte ist dabei nicht der Kult um diese Viecher, sondern die Berichterstattung darüber. Die Medien stellen es momentan so da, als ob Pokemon Go etwas komplett neues und einzigartiges wäre. Dabei ist nichts abwegiger als dieser Gedanke, schließlich schwimmt Nintendos Augmented-Reality-Hit im Kielwasser eines deutlich älteren Titels.
Vor Nintendo gab es Niantic, vor Pokemon Go gab es Ingress.
In…was, bitte???? Ingress, von der Google-Tochter Niantic entwickelt, ist das erste wirklich große Augmented-Reality-Spiel, es schlug schon Wellen, bevor Pokemon überhaupt in Überlegung war. Nach einem ersten Test vor einigen Jahren hatte ich Ingress schnell wieder von meinem Smartphone verbannt, mein Aktionsradius nach einem vollen Arbeitstag in meinem letzten Job war einfach zu gering, außerdem überhitzte mein altes iPhone 4s einfach viel zu schnell. Jetzt, mit dem Hype um Pokemon Go, sowie einem neuen Job, erschien mir der Zeitpunkt günstig, mal wieder einzusteigen.
Um was geht es bei Ingress aber nun genau? Nun, die Prämisse des Spiels ist es, dass Wissenschaftler vom Forschungszentrum CERN im Rahmen eines Experiments am LHC eine merkwürdige Substanz, sogenannte Exotische Materie (Exotic Matter, XM) festgestellt wurde, die in unsere Dimension eindringt. Diese Exotische Materie sickert einerseits normal ein, vor allen in urbanen Gegenden, oder wird parallel dazu durch Portale in unsere Welt eingebracht. Diese Portale, die oftmals an Wahrzeichen oder besonderen Orten zu finden sind, sind der Dreh-, und Angelpunkt des Spieles. Der Spieler, der sich zu Anfang des Spiels für eine von Zwei Parteien entscheiden muss, hat die Aufgabe, diese Portale einzunehmen, sie miteinander zu verbinden, und sogenannte Kontrollfelder zu errichten.
Eine der Eigenschaften von XM ist laut der Ingress-Lore nämlich, dass sie Einfluss auf die Denkprozesse im menschlichen Gehirn nimmt, also quasi eine Möglichkeit zur Gedankenkontrolle darstellt. Mithilfe von Kontrollfeldern kann dieser Einfluss unterbunden, bzw. gesteuert werden. Die beiden Fraktionen im Spiel entstehen direkt aus dem Konflikt darum, wie mit dieser exotischen Materie umgegangen werden soll.
Grün gegen Blau - Der Kampf der Resistance gegen die Enlightened dominiert Ingress. |
Auf der einen Seite steht die Resistance, der Widerstand. Diese stehen in der langjährigen Tradition deutscher “Umweltschützer” und Atomkraftgegner, und lehnen erst einmal alles neue strikt ab. Einerseits ist diese Einstellung aufgrund der Eigenschaften von XM nicht ganz von der Hand zu weisen, man kann die Eigenschaften von derartig neuer Materie jedoch nicht in Erfahrung bringen, wenn man sie einfach nur strikt ablehnt und abschottet. Außerdem wissen wir ja alle: “Widerstand ist zwecklos!”
Auf der anderen Seite stehen die Enlightened, die Erleuchteten. Für die Anhänger dieser Fraktion stellt XM einfach ein Hilfsmittel dar, um die nächste Stufe der menschlichen Evolution zu erringen, und daher stürzen sie sich auf diese Portale wie ein Hipster auf eine noch obskurere Neo-Progressive-Folk-Hop-Metal-Band, oder ein Apple-Jünger auf ein neues iPhone. Die beiden zuletzt genannten Gruppen können dabei durchaus deckungsgleich sein. Dabei lassen sie alle möglichen Gefahren außer Acht. Dies ist die Gruppierung, der auch ich im Spiel angehöre. Immerhin kenne ich mich seit meiner Zeit bei Apple aus mit Assimilierung! ;)
Das Spiel wird praktisch ausschließlich über Smartphones oder Tablets gespielt. Die Ingress-App verwandelt das Gerät dabei ein einen “Scanner”, der XM anzeigen kann. Diese ist aufgrund ihrer dualen Natur, sie ist gleichzeitig Materie und Energie (Vermutlich ein Quantenüberlagerungseffekt, Schrödingers Katze lässt grüßen ;) ), im “normalen” Leben unsichtbar. Mithilfe dieses Scanners können Portale eingenommen, übernommen, oder angegriffen werden. Da Ingress auf GPS-Daten zugreift, muss man verdammt nah an einem dieser Portale dran sein, um mit diesem interagieren zu können. Daher ist es auch nicht möglich, Ingress auf dem PC oder Mac zu spielen.
Nur weil es Ingress nicht für PC/Mac gibt, heißt es noch lange nicht, dass man keinen Überblick bekommen kann, wie diese Ansicht der Stadt Cork zeigt. Verdammt wenig grün, wenn ihr mich fragt. |
Wie sich das Spiel längerfristig anfühlt, wird sich noch zeigen, ich bin jetzt den 2. Tag wieder aktiv, und außer ein paar nah beieinander liegenden Portalen im Fitzgerald Park hab ich noch nichts reißen können. Das Portal direkt bei mir unter dem Wohnzimmerfenster ist, wie große Teile der Stadt Cork, in den Händen der Resistance, und auch die Gegend um einen Arbeitsplatz in Ballincollig ist fest in Feindeshand. Macht Sinn, immerhin sind wir im Rebel County. Andererseits sollte die Resistance nicht vergessen, dass so ziemlich alle Aufstände hier in Cork in einem totalen Desaster gemündet sind. In meinen Augen ist es aber auf jeden Fall ein interessanter Ansatz als irgendwelche Anime-Viecher in viel zu kleine Kugeln zu stopfen, vor allem da die dazugehörige Kampagne, die viel über Soziale Medien erzählt wird, so gut aufgebaut ist, dass man sich nie ganz sicher ist, ob es wirklich “nur ein Spiel” ist.
Ach ja, und falls jemandem bei der Beschreibung oder dem Screenshot eine Ähnlichkeit zwischen dem Karteninterface von Ingress und Pokemon Go aufgefallen ist, so ist dies alles andere als ein Zufall. Beide Spiele werden von Niantic Labs betrieben, es sieht für mich ganz danach aus, als hätte man für Pokemon Go einfach nur einen neuen Skin über das bestehende Gerüst gezogen. So viel zum Thema, dass es etwas ganz neues ist.
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