Deutschland - Die verknöcherte Republik

Ich bin gerade vor einigen Tagen von einem einwöchigen Aufenthalt in Deutschland zurückgekehrt, und ganz offen, selten war ich so froh, als das Fahrwerk des Airbus A320 von Aer Lingus auf dem Rückweg auf der Runway in Cork aufsetzte. Mir war schon seitdem ich 2002 aus Österreich nach Deutschland zurückgekommen war klar gewesen, dass ich nicht dauerhaft bleiben wollte. Wenn man seine Teenager-Jahre in der Tschechischen Republik und in Österreich, also salopp gesagt im Ausland, verbracht hat, dann wird einem schnell klar, was alles in der Bundesrepublik falsch läuft, und das ist einiges, und nicht erst seit dem Beginn der "Flüchtlingskrise". Deutschland verknöchert zusehends, und dies seit Jahrzehnten. Das Endresultat habe ich vorletzte Woche gemerkt. Leere Blicke, denen jeglicher Funken Neugier oder Ambition fehlt war ich ja schon gewöhnt, in dieser letzten Woche sah ich jedoch nur noch Angst, Missgunst, Hass, und Paranoia. Hinter jeder Ecke scheint man in Deutschland einen Mörder, Attentäter, oder schlimmer noch, einen Flüchtling zu wittern. Was ist da so schief gelaufen?
Salopp gesagt ist es die unsägliche Bevorzugung älterer Generationen unter dem Tarnmantel eines sogenannten "Generationenvertrages". Dies ist jedoch leider kein neues Problem. Um ihm auf den Grund zu gehen, müssen wir bis zum Anfang der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1957 zurückgehen, und zu ihrem maßlos überbewerteten "Gründervater" Konrad Adenauer. Im Jahr 1957 standen zum 3. Mal Bundestagswahlen an, und die CDU, Nachfolger übrigens genau jener Zentrumsparteien, mit deren Hilfe ein gewisser Adolf Hitler 1933 an die Macht gekommen war, griff nach einer absoluten Mehrheit. Um dies zu gewährleisten, entschied sich der Pate von Röndorf dazu, dass Rentensystem in Deutschland komplett umzubauen, zu einem umlagenbasierten System, bei dem die aktuell arbeitende Bevölkerung mit ihren Sozialbeiträgen die Renten finanziert. Dieses System gilt, mit Modifikationen, auch heute noch, und war praktisch Adenauers leider erfolgreicher Versuch, sich die absolute Mehrheit bei der Wahl von 1957 zu erkaufen. Er hat sich dabei übrigens über den Rat von Ludwig Erhard, dem Vater des Deutschen Wirtschaftswunders, hinweggesetzt, der den "Generationenvertrag" als nicht zukunftsfähig betrachtete, und damit leider auch Recht behalten würde. 
Das von Adenauer, leider auch unter Mitwirkung der damals wie heute erschreckend rückgratlosen Sozialdemokraten, auf den Weg gebrachte System funktioniert nämlich ganz gut, sofern es genügend Arbeitnehmer gibt, um die Renten zu finanzieren. Wenn das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Rentnern jedoch kippt, z.B. durch einen Anstieg der Lebenserwartung, oder einen Rückgang der Geburtenrate, beides Phänomene, die schon damals in entwickelten Gesellschaften nicht unbekannt waren, dann wird die Belastung für die jüngeren Generationen immer größer, bis diese irgendwann nicht mehr in der Lage sein werden, die Renten zu finanzieren. Und genau darauf steuert Deutschland momentan sehenden Auges zu, ohne etwas dagegen tun zu können oder überhaupt zu wollen. 
Denn mit der steigenden Lebenserwartung und der durch die durch Adenauers Wahlkauf von 1957 ebenfalls erhöhten Lebensqualität für Rentner begann auch deren Einfluss zu steigen. Natürlich hat auch Adenauers brunnenvergiftende Sozialpolitik in den 1950ern kräftig dazu beigetragen, das ein unnatürlicher, duckmäuserischer Respekt vor älteren Generationen entstand, allerdings konnten es sich alle großen Parteien innerhalb kurzer Zeit nach der Wahl von 57 nicht mehr leisten, die Rentner als Wähler zu verprellen. Wahlprogramme wurden daher umgestellt, um sicherzustellen, dass man eben diese wichtige Wählerschicht bei der nächsten Wahl auf seiner Seite hat. Ausnahmen gab es leider sehr wenige, einzig und allein Willy Brandt und in gewissen Punkten Helmut Schmidt setzten sich in den 1970ern gegen die immer stärker erstarkende (oder sollte ich verkalkende schreiben) Gerontokratie zur Wehr. Von Arbeitnehmern und generell jüngeren Generationen wurde, und wird immer noch in bester preußischer Tradition erwartet, sich zu fügen, und zu gehorchen. 
Dabei geht es jedoch längst nicht mehr nur um sozialpolitische Probleme. Die Überalterung der deutschen Gesellschaft hat ihre Karstrinnen mittlerweile in alle Bereich des Landes gespült. Alles was auch nur irgendwie "Unsicherheit" verursachen könnte gilt als nichts weiter als Teufelswerk. Alles unbekannte gilt erst einmal als gefährlich, und gehört natürlich SOFORT verboten. Erst recht, wenn es was mit diesem ominösen “Internet” zu tun hat, und/oder aus den USA kommt. Wer braucht schon Computer? Das hab ich vor 30 Jahren in meiner Lehre nicht gebraucht, das braucht jetzt auch keiner. Und wenn dann noch Madame Mundwinkel, die konturloseste Führungskraft seit Gründung der Bundesrepublik, dumm daherfabuliert, das Internet sei ja für viele noch #Neuland, da geht mir ganz offen der Hut hoch!
Symptomatisch für diese Verknöcherung ist auch eine von Grund auf idiotische Diskussion, die momentan in Frankfurt um die Renovierung und Modernisierung des Schauspielhauses geführt wird. Dieses Gebäude, eines der wenigen tatsächlich positiven Beispiele der Architektur aus der Nachkriegszeit ist nicht mehr ganz taufrisch, und bedarf in den nächsten Jahren einer massiven Frischzellenkur. Und kaum kommt dieses Thema zur Debatte, was passiert da? Irgendwelche geistigen Tiefflieger kommen aus dem Unterholz gekrochen, und rülpsen irgendwas davon, dass man doch das “alte” Theater, dass um die Jahrhundertwende dort gestanden hatte, wieder aufbauen soll. Und viel schlimmer, es gibt genug Leute, die diesen Irrsinn auch noch befürworten! Das so etwas keinen Sinn hat, kann man am unseligen Dom-Römer-Projekt sehen, bei dem das technische Rathaus Frankfurt, eines der wenigen guten Beispiele des Brutalismus in Deutschland, durch Repliken der Vorkriegsbebauung ersetzt wurde. Diese Neubebauung, durchgedrückt von verzweiflungsgeilen Immobilienhaien, strotzt nur so von “Blauer-Bock”-scher und “Familie-Hesselbach”scher Geschichtsverklitterung und kann offenbar nur in einem dauerhaften volksdümmlichen Äbbelwoi-Rausch ertragen werden.
Was ist aus dem Land der Dichter und Denker geworden? Was aus der Anpack-Attitüde des Wirtschaftswunders? Sie sind zu Grabe getragen worden, von einer Generation verlogener Tattergreise die der Meinung sind, Deutschland gehöre ihnen, nur weil ihre Eltern nach den Entbehrungen des Krieges das Land wieder aufgebaut haben! Und genau diese verlogenen alten Säcke sind es jetzt, die am lautesten heulen, das Deutschland vor die Hunde geht. Und wer ist laut ihnen Schuld? Alle, bloß nicht sie selbst natürlich. “Die Jugend”, “Berlin”, “Brüssel”, “die Jugend”, und natürlich diese “linksgrün vergiften Gutmenschen”. Diese Brunnenvergifter laufen dann neofaschistischen Rattenfängern wie der AfD, oder der idiotären, ähm ich meine identitären Bewegung (Hipster-Nazis, für die, die nichts damit anfangen können( hinterher, um das “gute alte” Deutschland wiederzubekommen.
Nun, dieses Deutschland ist tot, und es wird nicht wiederkommen. Und es sind nicht die “Flüchtlinge”, es ist nicht die Jugend, die dieses Land getötet hat, es ist noch nicht mal der Islam, wie so gerne von einigen “Rettern des Abendlandes” fabuliert wird. Nein, liebe “Leistungsträger”, “Führungskräfte”, “Bildungsbürger”, oder wie ihr euch sonst noch schimpft. IHR seid es, die Deutschland zu Grunde gerichtet habt. Ihr seid die Mörder dieses Landes. Und wenn ihr noch einen Funken Anstand in euch habt, wovon ich aber nicht ausgehen, dann tretet verdammt noch mal zur Seite, und lasst meine Generation retten, was noch zu retten ist. Ihr wart dazu ja offenbar nicht in der Lage!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Vom Tod einer Stadt - die vergessene Katastrophe von Longarone

Einmal Oslo und zurück - Kurzurlaub mit Color Line

Vom Bücherregal in die Bucht - Die Irische Marine stellt erstes von drei neuen Schiffen in Dienst