EUnbrauchbar - Gedanken zur "Digitalpolitik" der Europäischen Union, Teil 3

Willkommen zum dritten Teil meiner Artikelreihe über die "mangelhafte" Politik der Europäischen Union im digitalen Bereich. Im vorherigen Teil hatte ich ich mir die Bedingungen angeschaut, die zur Entstehung des Silicon Valley und der dort beheimateten Firmen geführt haben. In diesem Teil mache ich mir Gedanken darüber, was für Infrastrukturelle Maßnahmen erforderlich sind, um hier in Europa flächendeckend eine Startup-Kultur auf die Beine zu stellen.

Wie kann man da jetzt vorgehen? Nun, im Endeffekt hängt alles am Geld. Gerade in der Anfangsphase, wenn aus einem Gründer und einer Idee mehr wird, als nur eine Powerpoint-Präsentation, sind Startups auf jede Menge Geld angewiesen, sei es für Marktforschung, rechtlichen Beistand bei der Unternehmensgründung und dem Festlegen der besten Unternehmensform, und dem anheuern der ersten Mitarbeiter. Dies ist allerdings, auch im Jahr 9 nach der Bankenkrise, nicht wirklich leicht zu bekommen, wenn man nicht gerade einen iPhone-Killer produktionsreif hat, schauen einen die meisten Banken nicht mal schief an, wenn man eine Kapitalspritze für ein Startup benötigt, gerade im IT-Bereich. Gleichzeitig ist der Venture-Kapital-Sektor in der EU, wiederum gerade in den Kernländern, sehr unterentwickelt. In meinen Augen muss hier angesetzt werden, die Gründung einer Reihe von Venture-Kapitalfirmen mit  finanzieller Unterstützung der EU ist in meinen Augen der beste Weg, um der Startup-Szene wirklich auf die Sprünge zu helfen. 
Am Anfang besteht ein Startup heutzutage aus kaum mehr als einer Idee, einem Laptop, und viel Kaffee.  Um von hier zu einer brauchbaren Geschäftsidee und schließlich einer Unternehmensgründung zu kommen, benötigen Gründer viel Unterstützung, welche aber gerade in "klassischen" Industrieländern nur schwer zu bekommen ist.

Allerdings ist es allein mit Kapital nicht getan. Gerade Menschen, die ihr erstes eigenes Geschäft auf die Beine stellen, brauchen oftmals auch logistische Unterstützung. Dies kann in Form von Trainings und Workshops erfolgen, die einem helfen, abzuklopfen, ob eine Geschäftsidee überhaupt praktikabel ist, in Form von Coachings, wenn es darum geht, das eigene Startup bei einem potentiellen Geldgeber vorzustellen. oder auch ganz einfach in Form eines Schreibtisches, der es einem ermöglicht, aus den eigenen vier Wänden mit ihren mannigfaltigen Ablenkungen rauszukommen, und sich ganz auf die Arbeit zu konzentrieren. Letzteres ist weit weniger trivial, als es zuerst erscheint. Ich merke selbst, dass ich z.B. in einem Café, oder an meinem Schreibtisch im Büro nach Feierabend, deutlich produktiver bin, und dass obwohl ich nur Artikel für meine Blogs schreibe. Es macht in dem Zusammenhang natürlich nur Sinn, derartige Ressourcen für Gründer an zentralen Standorten zu bündeln, und tatsächlich sind derartige “Brutkästen” für Unternehmensgründer, Inkubatoren oder Gründerzentren mittlerweile recht weit verbreitet, zu meiner Überraschung auch in Deutschland.
Leider zeigt ein Blick auf die Mitgliederliste des deutschen Bundesverbands Deutscher Innovations-, Technologie- und Gründerzentren BVIZ nicht nur eine geografische Konzentration auf Ballungsgebiete, sondern auch den für Deutschland so typischen verkopften Ansatz, auf Unternehmensgründer zu gehen, die schon eine gewisse Grundausstattung haben. Wirkliche Hilfe und Beratung für den kompletten Weg von der Geschäftsidee bis hin zur Betriebsaufnahme bieten die wenigsten. Hier zeigt wiederum Irland, genauer gesagt Cork, wie es besser geht. Keine 10 Minuten Fußweg von meiner Wohnung entfernt befindet sich die Republic of Work, ein Inkubator und Co-Working-Zentrum, dass genau so ein Komplettangebot liefert, inklusive Beratung, Coaching, aber auch Konferenzräumen, um sich mit potentiellen Investoren zu treffen. Derartige Inkubatoren finden sich in Irland nicht nur in Ballungsräumen wie Cork, sondern auch in den den ländlichen Weiten im Westen Irlands. Skibereen, im westlichen County Cork, ist nun bei Gott nicht das, was man ein Mekka für IT-Unternehmen nennen würde. Und doch wurde hier in einem alten Kino der Ludgate Hub eingerichtet, ein weiterer derartiger Inkubator, der im sonst sehr strukturschwachen West Cork wichtige Impulse setzen kann und wird.
Dieses Gebäude an der South Mall in Cork mag auf den ersten Blick recht unscheinbar sein. Es beherbergt die Republic of Work, einen Inkubator, der alle Ressourcen bündelt, die bei einer erfolgreichen Unternehmungsgründung nötig sind, inklusive großer Mengen an Kaffee! 
Es sind genau derartige Hubs, von denen viel mehr in Europa gebraucht werden, und zwar sowohl in den Ballungsräumen, als auch in ländlichen Regionen unseres Kontinents. Wichtig ist dabei, dass derartige Inkubatoren nicht übertrieben spezialisiert sind, wie es bei vielen deutschen Gründerzentren der Fall ist, sondern dass ein möglichst breites Spektrum an Startups unterstützt werden kann. Deswegen ist es auch wichtig, dass in diesen Inkubatoren Ansprechpartner für alle Belange einer Unternehmensgründung zu finden sind, und zwar nicht nur für 1-2 Stunden am 3. Mittwoch nach dem St.-Nimmerleins-Tag, sondern dauerhaft während der normalen Geschäftszeiten. Sowohl der Ludgate Hub, als auch die Republic of Work in Cork befinden sich jeweils mitten im Stadtzentrum von Cork bzw. Skibereen, und auch dies ist in meinen Augen extrem wichtig. Menschen sind soziale Wesen, und irgendwelche Büroparks am Stadtrand töten Kreativität und Engagement eher ab, als das sie diese fördern. Allein schon die Möglichkeit, auf einen Café das Büro zu verlassen, oder die nächsten 2-3 Stunden in einem Coffee Shop zu arbeiten, um den Kopf freizubekommen wirken oft Wunder. Auch hier spreche ich aus Erfahrung, diverse meiner Artikel sind so entstanden, und diverse Schreibblockaden sind so gefallen. Von der verstärkten Kaufkraft, die ein derartiger Inkubator, mit seinen fest angestellten Beratern, Rezeptionisten, etc., aber auch mit potentiell 50-60 Unternehmensgründern und Kleinunternehmern in ein Stadtzentrum bringen kann, rede ich in diesem Zusammenhang nur am Rande. Nur so viel sei gesagt, richtig angepackt kann ein derartiger Hub einen wichtigen Beitrag zur Wiederbelebung teilverwaister Stadtzentren leisten.

Im vierten und letzten Teil dieser Serie komme ich auf das schwierigste Thema zu sprechen, den in meinen Augen dringend nötigen Paradigmenwechsel in der Mentalität breiter Schichten der Europäischen Politik und Bevölkerung.

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