Die Magie des Fliegens - Aus der Zauber? - Ein Kommentar

Fliegen - Kaum ein Wort erweckt so unterschiedliche Gefühle wie dieses. Die einen denken an die Freiheit, die man scheinbar losgelöst von der Schwerkraft erleben kann, während man sich zwischen weißen Wolken hindurchwindet, den Schwalben gleich. Andere denken mit Schaudern daran, dass man in einer Aluminiumröhre durch die Stratosphäre geschossen wird, angetrieben von mehreren Schneidbrennern auf Steroiden, und nur durch eine Kombination von Aluminiumplanken davor bewahrt wird, schmerzhafte Bekanntschaft mit Sir Isaac Newton und seinen Gesetzen zu machen. Manche Leute sehen die enormen technischen Errungenschaften, die in einem modernen Verkehrsflugzeug vereint sind, andere sehen nur den Lärm und die Abgase, die diese Maschinen verbreiten.




Was aber ist mit der vielbeschworenen Magie des Fliegens? Jener Magie, die von Fluggesellschaften gerne in ihren Werbekampagnen beschworen wird, und die auch unabhängig davon in den Medien nach wie vor wie eine Sau durch's Dorf getrieben wird? Gibt es diese Magie in den Zeiten von Ryanair und Terrorangst, von fliegenden "Viehtransportern" mit 600 und mehr Sitzplätzen, von überfüllten Flughäfen und unbequemen, hauchdünnen Flugzeugsitzen überhaupt noch?


Die Antwort ist vielschichtig, und ich kann jeden verstehen, für den das Fliegen nichts weiter als eine Art glorifizierte Busfahrt ist. Ich selbst bin in den fünf Jahren, in denen ich in Irland lebe, und regelmäßig zwischen dort und dem Kontinent pendle, deutlich, ich will nicht sagen abgeklärter, aber routinierter geworden, was das fliegen angeht. Auch der Auftritt von Ryanair vor mittlerweile fast zwanzig Jahren hat diesen Eindruck verstärkt. Wenn man heute an einem x-beliebigen Flughafen zwischen Junggesellen-Abschied auf der einen Seite, und Kegelklub auf Sauftour auf der anderen Seite am Gate steht, und voller Schrecken realisiert, dass man die nächsten zweieinhalb Stunden zusammen mit diesen "Kronen der Schöpfung" in einer Druckkabine eingesperrt sein wird, vergeht einem nicht nur der Appetit, sondern verschwindet auch jeder Glaube daran, dass Luftfahrt irgend etwas besonderes, oder gar erstrebenswertes ist. Ich selbst hatte bei meinen 71 Flügen, die ich seit 2010 in meinem Logbuch angehäuft habe, auch schon einige mehr als grenzwertige Erfahrungen, auch wenn die ganz großen Knallköppe mir bis dato erspart geblieben worden sind.




Die Sicherheitssituation tut ihr übriges dazu. Terrorismus ist in der Luftfahrt nichts neues, bereits in den Sechzigern begannen meist linksradikale Terrorgruppen, sowie Organisationen aus dem palästinensischen Dunstkreis, Flugzeuge und Flughäfen gezielt für Anschläge zu benutzen. Gerade Flughäfen haben sich als Konsequenz aus dieser Entwicklung zu wahren Festungen entwickelt, in denen oftmals andere Regeln gelten als auf dem Segefluggelände Oberbleibauch, oder dem Sportflugplatz Sturzhausen. Und während moderne Flughäfen und gerade auch Terminals oftmals von Anfang an auf diese Bedrohung ausgelegt sind, und mit architektonischen Kniffen versuchen, den Eindruck einer Festung zu vermeiden, und gleichzeitig die Auswirkungen z.B. eines Bombenanschlags architektonisch zu minimieren, sind gerade ältere Terminals, wie z.B. Berlin Tegel oder das Terminal 1 am Flughafen Frankfurt durch die nachgerüsteten Sicherheitsschleusen oftmals zu klaustrophobischen Irrgärten geworden. 
Eben jene Sicherheitsschleusen sind für Gelegenheitsflieger oftmals eine massive Stressquelle. Wenn man nur einmal alle Jubeljahre fliegt, können einen die ganzen Eindrücke an einem Flughafen oftmals überfordern, das sehe ich ein. Da kann man sich noch so gut vorbereiten, wenn es daran geht, Laptops oder Tablets rauszuholen, Hosen-, und Hemdtaschen auszuleeren, steht einem unweigerlich der Schweiß auf der Stirn, man fängt an unsicher zu werden, vergisst das eine oder andere, und sieht im Augenwinkel, wie die Schlange hinter einem immer länger wird. Ehe man sich's versieht ist der eigene Puls im dreistelligen Bereich, die Panikattacke nicht mehr weit, und positive Gedanken folgen der Flasche Wasser, die man im Handgepäck vergessen hatte direkt in den Müll.
Die gefühlt dauerhafte Anwesenheit schwer bewaffneter Sicherheitskräfte tut ihr übriges. Die Anwesenheit derartiger Kräfte ist gerade auf größeren Flughäfen absolut unerlässlich, wie eine Reihe von Anschlägen in den letzten Jahren gezeigt haben, und ganz offen, ich möchte deren Job nicht machen. Allerdings ist es selbst für jemanden wie mich, der von Berufs wegen her mit Schusswaffen Erfahrung hat, ein ungutes Gefühl, wenn zwei Polizisten, von denen einer eine MP5 über der Schulter hat, einen ansprechen, so freundlich sie auch sein mögen. Ich muss hier fairerweise sagen, dass die beiden Polizisten, mit denen ich am Flughafen Frankfurt zu tun hatte, wirklich sehr freundlich und professionell waren. Allerdings kann ich auch verstehen, wenn Leute sich dadurch verunsichert fühlen, erst recht, wenn sie in ihren Heimatorten mit so etwas nicht konfrontiert werden, oder aus einem Land wie Irland kommen, wo die Polizei unbewaffnet ist. 


An Bord wird die Sache nicht unbedingt besser. Alle großen Airlines, mit Ausnahme von Ryanair vielleicht, werben mit ihrem Service, ihrer Verlässlichkeit, und oftmals auch mit dem Komfort an Bord. Leider zeigen diese Werbekampagnen oftmals die Business Class oder First Class, mit der die meisten Passagiere nur selten Bekanntschaft machen werden. In der Economy Class ist oftmals unfreiwilliges Gruppenkuscheln angesagt. Zehn Sitzreihen nebeneinander mit zwei Mittelgängen sind keine Seltenheit, selbst bei Airlines wie Emirates, die eigentlich für ihren Komfort selbst in der Holzklasse berühmt sind, mittlerweile die Norm. Was auf inneneuropäischen Flügen noch erträglich ist, kann bei Langstreckenflügen schnell zur Qual werden. 



Und doch..., und doch gibt es nach wie vor diese magischen Momente. Der Start, das aufheulen der Triebwerke, die auf Startleistung gebracht werden; Die Beschleunigung, die einen in den Sitz drückt, und die ersten Minuten des Steigflugs, wenn das Flugzeug scheinbar gar nicht schnell genug Abstand zum Boden gewinnen kann, oder auch das gegenteilige Gefühl, wenn man, im Anflug auf den Zielflughafen zum ersten mal die Wolkendecke durchbricht, und freien Blick auf den Boden hat. Dann gibt es, gerade auf Langstreckenflügen, diese wunderbaren Momente, wenn der Himmel über einem, selbst am helllichten Tag, immer dunkler wird, oder wenn man, kurz vor dem Sonnenaufgang, ganz leicht die Erdkrümmung sehen kann. Von der Schönheit eines Sonnenaufgangs über den Wolken rede ich in dem Zusammenhang gar nicht erst.






Und auch am Boden gibt es noch Momente, an denen die Magie des Fliegens noch spürbar ist. Die Airside, also der Bereich eines Flughafens nach den Sicherheitskontrollen, ist ein Ort, der scheinbar außerhalb von Raum und Zeit existiert. Man ist nicht mehr ganz im Abflugland, aber auch nicht wirklich in einem anderen Land. Gerade an größeren Flughäfen wie Amsterdam Schiphol, oder dem Terminal 1 des Frankfurter Flughafens, wo Zielflughäfen wie Curaçao, Paramaribo, oder St. Maarten direkt neben Washington-Dulles, Hongkong, Dubai, oder New York JFK zu finden sind, spürt man, dass die Globalisierung kein Hirngespinst irgendwelcher nebulöser "Eliten" ist, sondern schon längst unumkehrbare Realität geworden ist. Es sind diese Orte, diese Eindrücke, die die oftmals längst verloren geglaubte Magie am Leben erhalten. Okay, es sei denn man hat das Pech von London Heathrow aus zu fliegen. Der Flughafen ist einfach nur noch ein Einkaufszentrum, an das man ein paar viel zu kleine Gates gepappt hat.







Insofern ja, es gibt diese Magie nach wie vor, sie erschließt sich nur nich jedem. Man muss sie suchen, sich auf sie einlassen, um sie zu erkennen. Wenn man sie aber einmal erkannt hat, dann lässt sie einen nicht mehr los. Auch wenn ich abgeklärter geworden bin, auch wenn ich um kurz nach vier Uhr morgens, das ist die Uhrzeit, um die ich normalerweise am Flughafen Cork ankomme, wenn ich fliege, alles andere als wach bin, so hat mich diese Begeisterung nie ganz verlassen. Dieses eine, oftmals Leonardo da Vinci zugeschriebene, Zitat hat in meinen Augen seine Bedeutung nach wie vor nicht verloren:


Hast du einmal vom fliegen gekostet, wirst du beim Gehen auf immer den Blick zum Himmel richten; Denn dort bist du gewesen, und danach wirst du dich auf immer sehnen.

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