Ein Plädoyer für die Länge - Von Artikeln und Aufmerksamkeit

Hallo zusammen. Heute gibt es mal einen etwas anderen Post, einen der deutlich kürzer sein wird, als meine üblichen. Es geht dabei um Feedback, dass ich immer wieder sowohl online als auch im real life zu hören bekomme: Deine Artikel sind zu lang, dass kann doch kein Mensch lesen heutzutage. Meistens folgt dann die Aussage, dass man ja nicht genug Zeit dafür hätte. Ähm, ernsthaft? Ich will ja nichts sagen, Leute, aber es ist nicht so als ob ich hier jedes mal Krieg und Frieden reinschreiben würde, oder eine mathematische Abhandlung über das Verhalten von Bose-Einstein Kondensat in elfdimensionalen Umgebungen.
Ein Kaffee, ein Laptop, und etwas Musik. Das ist oftmals alles, was es braucht, um auch längere Artikel lesen zu können. Superkräfte werden nicht benötigt. Und ja, ich wollte einfach mal wieder dieses Archivbild verwenden :) 

Es ist aber nun mal so, dass ich in meinen Posts oftmals etwas komplexere Themen behandle, und da brauch ich schon mal ein paar Absätze, um eine Argumentationslinie aufzubauen, oder die Hintergründe genauer darzulegen, gerade wenn es zum Beispiel um Themen geht, die sich hier auf Irland beziehen, wie z.B. meinen Artikel zu den Parlamentswahlen letztes Jahr. Das braucht seine Zeit, und auch eine gewisse Sorgfalt. Nicht zuletzt, weil ich auch mittlerweile einen gewissen Anspruch an mich selbst und meine Artikel habe, was die Qualität der Hintergründe oder der Argumentation angeht. Ich weiß durchaus, das dies dazu führt, dass meine Artikel nicht einfach mal kurz nebenbei gelesen werden können, sondern dass man sich als Leser etwas mehr damit auseinandersetzen muss. Ich sehe dies nicht als Nachteil, sondern als wichtiges Gegengewicht in einer Zeit, in der selbst Staatsoberhäupter selten mehr als 140 Zeichen halbwegs kohärent rüberbringen können.
Nicht zuletzt schwingt aber in diesen Antworten auch immer etwas Selbstaufgabe mit. Einerseits in der Hinsicht, dass man sich selbst derart unter Stress setzt, dass man nicht einmal mehr die 10-15 Minuten Zeit hat, um sich einmal etwas detaillierter mit einem Thema auseinanderzusetzen. Damit meine ich nicht einmal unbedingt meinen Blog, sondern auch Artikel in Publikationen wie der New York Times oder National Geographic. Andererseits unterstellt man sich selbst mit diesem Kommentar unterschwellig, nicht in der Lage zu sein, einen längeren Text verarbeiten zu können. Und da frage ich mich dann wirklich, gerade bei Lesern, die ich persönlich kenne, warum man sich so unter Wert verkauft? Wer heutzutage im Internet unterwegs ist, und das muss man zwangsläufig, um über ein Blog zu stolpern, dann ist man in aller Regel eh schon geistig fit genug, um sich mit teilweise komplexen Themen zu beschäftigen und diese in Windeseile mit teils nur dürftigen Informationen als Entscheidungsgrundlage einzuordnen, und mit einer beachtlichen Reizüberflutung klarzukommen. Das gleiche gilt für all diejenigen, die studieren, oder im Berufsleben stehen. Die heutige Welt ist so komplex, dass sich so oder so nur diejenigen zurechtfinden, die mental halbwegs fähig sind. Der Rest wählt dann halt eben AfD.
Also, schreibt euch nicht ab. Verkauft euch nicht unter eurem Wert. Ihr findet euch in einer Welt zurecht, die komplexer ist, als sich vor zwanzig bis dreißig Jahren selbst die besten Forscher vorstellen konnten, habt Unmengen an Informationen nur einen Mausklick, oder eine Berührung entfernt, die ihr, oftmals unbewusst, in Sekundenschnelle auswertet, abklopft, und dann entsprechend kategorisiert. Wenn ihr, meine Leser, nicht in der Lage seid, auch mit längeren Texten klarzukommen, wer dann?

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