Open Source - Eine Kritische Perspektive

Open Source – Ein Begriff der genauso gut ein Glaubensbekenntnis oder eine Kriegserklärung sein könnte. Das Prinzip von “offener”, also nicht durch Urheberrechte oder Patente eingeschränkter Software oder Technologie ist verlockend, und ich habe selbst lange Zeit Open-Source-Lösungen genutzt. Allerdings ist hier, wie so oft, nicht alles Gold was glänzt, und ich bin mittlerweile von der Überzeugung abgekommen, Open Source als Allheilmittel zu sehen. In dem Artikel werde ich mich mit dieser Thematik etwas genauer auseinandersetzen. Leider ist in diesem Bereich längst nicht alles Gold, was glänzt. Versteht mich nicht falsch, Open Source hat einen Platz in der modernen IT-Landschaft, und ich betrachte die Aussage eines gewissen Steve Ballmer, der Open Source mit einem Krebsgeschwür verglichen hat, als genau so idiotisch wie geschmacklos.
Was ist jetzt Open Source genau? Nun, laut der heiligen Wikipedia (ja, ich weiß, nicht die beste Quelle!) handelt es sich dabei um nichts anderes als um Software, deren Quelltext öffentlich zugänglich ist. Dies kann aus verschiedenen Gründen erfolgen, einerseits aus rein altruistischen, andererseits um den Aufwand für die Weiterentwicklung auf eine größere Gruppe zu verteilen. Dieses Prinzip ist nicht neu, im Rahmen der Do-it-Yourself-Bewegungen gibt es das ganze schon seit Jahrzehnten, und auch im Softwarebereich ist Open Source längst keine Randerscheinung mehr. Firefox zum Beispiel ging aus dem Code des guten alten Netscape Navigator hervor, nachdem dessen Entwickler ihn öffentlich zugänglich gemacht hatten. Und gerade für Menschen mit eingeschränkten Mitteln sind Open-Source-Programme oftmals eine gute Alternative, um trotzdem an Software zu kommen, die mit Konkurrenzprodukten von etablierten Herstellern mithalten kann. Ich spreche hier aus Erfahrung, hab ich doch selbst mehrere Jahre Linux, Libre Office, und andere derartige Produkte genutzt.
Ja, es läuft wieder mal alles auf diese Kiste hinaus.

Mit diesem kleinen Netbook begann damals meine Exkursion in die Open-Source-Welt.

Alles in Butter also? Nun, nicht wirklich. Ja, Open Source ist ein wichtiger Teil der modernen Software-Welt. Leider hat dieses Konzept auch eine Reihe von massiven Schwachstellen, die dafür sorgen, dass quelloffene Software oftmals hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt. Grob gesagt lassen sich diese Schwachstellen in drei große Bereiche aufteilen

  •           Zersplitterung
  •        Usability
  •        Marketing
Fangen wir mit dem Thema Usability an. Es ist kein Geheimnis, das es für so ziemlich jedes kommerzielle Softwareprodukt eine Open-Source-Alternative gibt. Sei es Office, Photoshop, oder gleich Windows als solches, praktisch alle wichtigen Softwarepakete haben entsprechende Gegenstücke. Ich selbst habe unter anderem Libre Office, GIMP, und verschiedene Linux-Distributionen genutzt, teils über Jahre hinweg. Funktionsseitig gibt es kaum einen Unterschied, praktisch alles was z.B. Microsoft Office kann, kann Libre Office genau so gut. Eines ist mir allerdings bei der ganzen Geschichte aufgefallen: Die Nutzerfreundlichkeit lässt teilweise arg zu wünschen übrig. Bei Libre Office oder GIMP ist dies besonders auffällig. Es scheint, als ob man sich ausschließlich auf die Funktionalität konzentriert hätte, und den Benutzerkomfort komplett außen vor gelassen hätte. Die Menüleisten wirken überfrachtet, und jeder Quadratzentimeter des Bildschirms der nicht für die Schreiboberfläche benötigt wird, ist mit Icons oder Information vollgestopft. 
Dies war zu der Zeit, als ich z.B. Libre Office genutzt habe, kein großes Problem, da der Platzhirsch Microsoft Office zu der Zeit ebenfalls recht unübersichtlich daherkam. Dies hat sich mittlerweile massiv geändert, und während Microsoft mittlerweile ein aufgeräumtes, klar strukturiertes Interface aufweist, erschlägt einen Libre Office nach wie vor mit einer gefühlten Tonne an Icons. Hinzu kommt, dass mir bis jetzt kein Open-Source-Produkt untergekommen ist, dass eine echte Cross-Platform-Funktionalität ermöglicht. Apps für iOS oder Android sind quasi nicht zu finden, so dass man bei der Nutzung auf Smartphones oder Tablets doch wieder auf kommerzielle Tools angewiesen ist. Des Weiteren arbeiten quasi alle mir bekannten Open-Source-Programme mit ihren eigenen proprietären Dateiformaten, was die Nutzung von Libre-Office-Dateien z.B. In Word oder Apple’s Pages deutlich erschwert. Die in diesem Absatz erwähnten Punkte sind übrigens allesamt dafür verantwortlich, dass ich mittlerweile wieder bei Microsoft Office gelandet bin.
Man kann zu Microsoft stehen wie man will, aber Microsoft Office ist was die Nutzerfreundlichkeit angeht allen Open-Source-Alternativen Lichtjahre voraus.

Woher kommt dies? Meinen Erfahrungen nach ist dies eine direkte Folge der Open-Source-Natur dieser Produkte. Kommerzielle Anbieter wie Microsoft oder Adobe stehen, trotz ihrer quasi-Monopolstellung in ihren jeweiligen Märkten, dauernd unter Druck, ihre Produkte attraktiver zu machen. Gerade jetzt, wo Microsoft dank Google’s G Suite und Adobe durch Affinity Photo und co. Immer mehr in Bedrängnis geraten, müssen sich beide anstrengen um Produkte und Updates auf den Markt zu bringen, die nicht nur funktionsmäßig auf dem neuesten Stand sind, sondern auch für die Benutzer attraktiv sind. Ansonsten gehen Marktanteile, und damit auch Umsatz verloren. Im Open-Source-Bereich fehlt diese kommerzielle Motivation. Hinzu kommt, dass die Open-Source-Community meiner Erfahrung nach ein ziemlich enger Kreis ist, der vor allem aus „Nerds“ (Sorry, mir ist kein besseres Wort eingefallen) besteht. Dieser kleine Kreis mag zwar sehr versiert in der eigentlichen Technik sein, haben aber mit Interface Design kaum was am Hut. Nicht nur das, sie haben auch eine teils recht starke Abneigung gegenüber „Normal“-Nutzern, was gerne auch geäußert wird. Optisch ansprechende Programme werden oftmals sogar regelrecht verachtet.
Dies bringt mich gleich zu meinem zweiten Punkt, der Zersplitterung. Wenn man sich z.B. Linux anschaut, dann wird man feststellen, dass es gefühlt dutzende verschiedene Versionen gibt. Fedora, Ubuntu, Mint, Knoppix, etc., sind nur ein paar dieser verschieden Distributionen, oder Distros, wie diese Varianten genannt werden. Oftmals stammt eine dieser Distros von einer anderen ab, und wurde irgendwann abgespalten. Dies kann aus verschiedenen Gründen erfolgen: Differenzen innerhalb des Teams über die technische Vorgehensweise, das Interface, oder auch persönliche Zerwürfnisse können alle zu einer derartigen Abspaltung führen. Hinzu kommen noch die Splits innerhalb einer Distribution, so die Spaltung von Ubuntu zu Kubuntu oder Xubuntu, um nur ein Beispiel zu nennen, die verschiedenen Desktop-Engines, die man auswählen kann, und das Endresultat ist ein quasi unüberschaubares Sammelsurium an Betriebssystemen mit teilweise nur kleinen Unterschieden, die aber trotz allem miteinander konkurrieren, und bei denen nicht gewährleistet werden kann, dass Programme, die unter einer Distro laufen auch unter einer anderen lauffähig sind. 
Ubuntu ist definitiv die am weitesten verbreitete Linux-Distro, und ich würde sie jedem empfehlen, der Linux testen möchte. Leider ist es in der Öffentlichkeit quasi unbekannt.

Dies mag die Auswahl für einen potentiellen Umsteiger massiv erhöhen, allerdings stellt es unbedarfte Nutzer vor eine teilweise unmögliche Auswahl. Ich kann es keinem Windows-, oder Apple-Nutzer übelnehmen, der angesichts dieser Flut an Distros doch lieber bei Windows 10 bleibt. Eine potentielle Ausnahme gibt es hier, Ubuntu. Diese Linux-Distro hat in den letzten zehn Jahren beeindruckende Fortschritte gemacht. So bieten Hardware-Hersteller wie Dell mittlerweile ab Werk Laptops mit Ubuntu Linux an. Auch für Quereinsteiger ist Ubuntu mittlerweile eine echte Alternative geworden, das User-Interface und das Setup sind genau so bequem wie bei OS X oder Windows. Bizarrerweise ist es genau diese gestiegene Benutzerfreundlichkeit, die Ubuntu innerhalb der Linux-Community zu einem absoluten Hass-Objekt gemacht hat. Dabei verfolgt Canonical, die Jungs die hinter Ubuntu stecken, genau die Strategie, die nötig ist, um Open-Source-Alternativen wie Linux zu einer echten Alternative zu den bisherigen Platzhirschen zu machen.
Schlussendlich gibt es da noch den Punkt Marketing. Man kann die beste, mächtigste, und bedienerfreundlichste Software der Welt haben, all dies nützt nichts, wenn keiner weiß, dass es diese Software gibt. Auch hier arbeitet die Natur der Open-Source-Bewegung gegen das Prinzip. Da es keinen Gewinnanreiz gibt, fehlt auch zu einem beträchtlichen Teil die Motivation, seine eigenen Produkte zu bewerben. Schön und gut, es gibt hübsch gestaltete Websites, wo man die jeweils neuesten Versionen herunterladen kann, aber wann habt ihr das letzte Mal gesehen, dass ein Laptop mit Ubuntu groß beworben wurde? Wann habt ihr das letzte Werbebanner für LibreOffice gesehen? Wann war die letzte Anzeige für GIMP im Spiegel, Stern, oder ähnlichen Zeitungen? Richtig, es gab keine, und wird auch in absehbarer Zukunft wohl keine geben, Ubuntu einmal ausgenommen, da die ja von Canonical ordentlich gepusht werden.
Zu mehr als einer halbwegs ansrpechend aussehende Website reicht es bei den allermeisten Open-Source-Projekten nicht. Öffentlichkeitsarbeit findet quasi nicht statt.

Neben der fehlenden kommerziellen Motivation gibt es da auch noch die Psychologie der Open-Source Community zu beachten. Wie bereits eingangs erwähnt, handelt es sich dabei um eine relativ kleine, eingeschworene Gemeinschaft. Neulinge sind in dieser Community zwar durchaus gern gesehen, aber der Gedanke, dass auf einmal hunderttausende „Normal“-User die Lösung mitnutzen werden, an der man selbst mithilft, die stößt einigen Mitgliedern dieser Community ziemlich sauer auf. Demzufolge sind Pläne, derartige Lösungen weiterzuverbreiten oftmals nicht gern gesehen, und können durchaus zu einer weiteren Spaltung in der Community führen. Dabei ist Werbung essenziell, wenn man eine neue Anwendung an den Kunden bringen will. Die meisten Menschen wissen einfach nicht was sie wollen, bis man es ihnen vorsetzt, und wenn Open Source wirklich eine ernste Alternative werden soll, dann müssen die entsprechenden Tools aggressiv beworben werden.
Im Endeffekt steht die Open Source Community also sich selbst im Weg. Man hat teilweise sehr gute, leistungsfähige Alternativen zu kommerziellen Produkten geschaffen. Die Zersplitterung der Community, die immer neuen Abspaltungen von Produkten, die teilweise zum Himmel schreiende Arroganz diverser Figuren in der Community, die teilweise einer gewissen „Herrenmenschen“-Attitüde gleichkommt, und eine daraus resultierende nicht stattfindende Öffentlichkeitsarbeit sabotieren jedoch sämtliche Erfolge, die auf der Entwicklungsseite erzielt werden. Wenn Open Source jemals eine ernste Alternative werden soll, dann muss die Community einige sehr harte Gespräche mit sich selbst führen, die Fundamentalisten in den eigenen Reihen ausschalten, oder zumindest ausgrenzen, und sich zumindest teilweise bei den Tools der kommerziellen Konkurrenz bedienen. Ansonsten wird dieses vielversprechende Konzept sang-, und klanglos untergehen, nicht aufgrund der Marktmacht von Microsoft, Apple, Google, oder anderer großer Namen, sondern aufgrund der eigenen Arroganz und Unfähigkeit, sich zu öffnen!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Vom Tod einer Stadt - die vergessene Katastrophe von Longarone

Einmal Oslo und zurück - Kurzurlaub mit Color Line

Vom Bücherregal in die Bucht - Die Irische Marine stellt erstes von drei neuen Schiffen in Dienst