Ein Artikel, zwei Welten

Als Blogger ist man manchmal einfach eine faule Sau. Okay, zugegeben, das ist schon etwas sehr überspitzt. Es ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Recherchen für den vor kurzem erschienenen Blogpost zum Thema eBooks und Selbstverlag deutlich ergiebiger waren, als ich gedacht hatte. Nicht im Zusammenhang mit der Materie an sich, sondern eher mit den Ressourcen, die ich auftreiben konnte. Man könnte hier glatt von einer Geschichte zweier Wikipedia-Artikel sprechen, wenn man etwas plagiaristisch veranlagt ist.
Nun weiß ich sehr wohl, dass Wikipedia als Quelle mit Vorsicht zu genießen ist. Ich betrachte die jeweiligen Wiki-Seiten daher auch eher als Überblick und allgemeine Portale zu einem gewissen Thema, anstelle mich voll und ganz darauf zu verlassen. So bin ich daher auch an das Thema Self Publishing herangegangen. Mein erster Anlaufpunkt war dabei die englische Wikipedia, einfach weil mir das Wort Selbstverlag auf Tod und Teufel nicht eingefallen ist. Die Wiki-Seite war daher auch genau so, wie ich sie erwartet hatte: Eine Übersicht zum Thema, Vorteile und Nachteile waren klar dargestellt, und wichtige Anbieter und Plattformen wurden vorgestellt, natürlich mit weiterführenden Links. Ein Großteil meiner Recherchen zum Thema Kindle Direct Publishing, Apple Books Author, und anderen internationalen Plattformen fanden hier ihren Anfang.
Nun weiß ich ja, das mit Tolino ein recht leistungsfähiges deutsches Konkurrenzangebot zum Kindle-Ökosystem von Amazon existiert. Um einen Überblick über die Gesamtsituation auf dem deutschen Markt zu bekommen, habe ich dann die deutsche Version der Wikipedia-Seite zum Thema Selbstverlag aufgerufen. Mir fiel vor Schreck fast der Erkältungstee aus der Hand! Wo die englische Seite noch Vor-, und Nachteile sauber gegenübergestellt hatte, und gerade auch den Themenkomplex eBooks beleuchtet hatte, fand sich in der deutschen Version fast nichts dergleichen. Das Thema wurde historisch betrachtet, die Nachteile wurden groß aufgeblasen und in den Vordergrund gestellt. Selbstverlag wurde als die Domäne von Verschwörungstheoretikern, pseudowissenschaftlichen Quacksalbern, und Rassisten dargestellt. Positivbeispiele für Selbstverlag, egal ob jetzt im historischen Kontext wie Nathaniel Hawthorne oder Emily Dickinson, oder aus aktueller Sicht, wie Andy Weir’s „The Martian“ waren nirgendwo zu finden. Ach ja, und Links zu Plattformen wie KDP oder Tolino glänzten ebenso durch Abwesenheit, während das Thema eBooks an sich mit einem lapidaren Halbsatz abgewickelt wurde.
Nun kann ich nicht sagen, ob dieser Artikel einfach nur von einem miesepetrigen Altakademiker veröffentlicht wurde, für den die Welt seit dem Ende der 1970er einfach nur noch den Bach runtergeht, oder ob es sich hier um eine Auftragsarbeit im Namen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels handelt, dessen technikfeindliche Haltung ja nicht unbedingt neu ist, und der mit seiner Unterstützung für den unseligen Artikel 13 deutlich gezeigt hat, dass er einen feuchten Fliegenschiss auf Kreative und Autoren gibt. Unabhängig davon, welche der beiden Optionen jetzt zutrifft, der Unterschied zwischen den Weltsichten Deutschlands und des Rests der Welt könnten nicht deutlicher sein. Während man, gerade im englischsprachigen Raum, eher dazu neigt, an jeder Neuerung Vor-, und Nachteile gleichwertig zu betrachten, und die Möglichkeiten jener Neuerung auslotet, steht im deutschen Weltbild die Gefahr immer an allererster Stelle. Egal um was es geht, es stellt eine Bedrohung dar, und gehört erst einmal verteufelt, wenn nicht sogar komplett verboten. Ebooks sind dabei nur ein Beispiel, dies zieht sich durch praktisch alle Themenkreise, die in irgendeiner Form mit Technologie, Innovation, oder Neuerungen zu tun haben.
Genau diese Ablehnung gegenüber Neuerungen ist es auch, die Deutschland für mich in den letzten Jahren „verbrannt“ hat. Die Menschheit steckt mitten in ihrer größten Revolution seit Jahrtausenden, und die Möglichkeiten, die sich uns bieten sind atemberaubend. Ein Land, dass gegenüber diesen Neuerungen einfach nur den Rückzug antritt und Mauern hochzieht, weil es ja das bisherige Gefüge stören könnte, verdient seinen eigenen Untergang, und jeder halbwegs intelligente Mensch wird versuchen, da vorher noch rauszukommen. 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Vom Tod einer Stadt - die vergessene Katastrophe von Longarone

Einmal Oslo und zurück - Kurzurlaub mit Color Line

Vom Bücherregal in die Bucht - Die Irische Marine stellt erstes von drei neuen Schiffen in Dienst