Datenschutz über alles?

Hach ja, der Datenschutz – Des Deutschen liebstes Thema! Gerade jetzt, wo Amazon die neueste Generation seiner Echo-Geräte auf den Markt gebracht hat, kochen in diversen Deutschen IT-Medien die Kommentarspalten mal wieder über. Ein Blick auf Heise.de reicht aus, um einen Eindruck von dieser Aufregung zu bekommen. Nun gebe ich zu, dass ausgerechnet Heise vielleicht nicht unbedingt der beste Ort ist, um ein Meinungsbild zu bekommen, immerhin sind die Kommentatoren dort mit einem Überschuss an Mangel an Sozialkompetenz, gepaart mit einer gnadenlosen Selbstüberschätzung gesegnet, trotzdem ist der Tenor klar: Datenschutz, Datenschutz über alles!

Dies mag auf den ersten Blick dabei sogar noch logisch erscheinen. Immerhin genießt das persönliche Lebensumfeld in Deutschland einen besonders hohen Stellenwert in der Rechtsprechung, und dazu gehört natürlich auch der Schutz der persönlichen Daten. Und gerade in einem Zeitalter, in dem Daten immer mehr zu einer Art Ersatzwährung werden macht es augenscheinlich Sinn, diese Daten möglichst unter Verschluss zu halten. Auf die Dauer ist diese Sichtweise jedoch in meinen Augen zu kurzsichtig. Wenn wir den Währungsvergleich für Daten weiterspinnen, dann kommt man ganz schnell zu dem Schluss, dass es für die Wirtschaft fast schon unerlässlich ist, dass diese Daten zirkulieren, im Umlauf sind. Eine Datenbasierte Wirtschaft, wie wir sie momentan gerade im Internet vorfinden, würde sonst einfach zum Erliegen kommen. Natürlich gibt es Daten, die unter allen Umständen geschützt werden müssen, Sozialversicherungsnummern, Bankdaten, medizinische Informationen und weitere derartige Datensätze haben in der Öffentlichkeit exakt gar nix verloren, generell ist eine gewisse Freigiebigkeit hier in meinen Augen unvermeidlich, und sogar in gewissem Sinne geboten.

Dies scheint in Deutschland jedoch nur teilweise anzukommen. In der öffentlichen Wahrnehmung ist, so sieht es zumindest für mich hier in Irland aus, der Datenschutz ein reiner Selbstzweck geworden, ein individualrechtlicher Fetisch, der wie eine Monstranz vor sich hergetragen wird, wann immer es darum geht, sich als Gesellschaft vor modernen Technologien zu verschließen. Und wenn dann doch einmal Software oder Webplattformen auf den Markt kommen, die versuchen, den Schutz von personenbezogenen Daten zu integrieren, dann behandeln diese den Datenschutz meist als das primäre Feature und vernachlässigen ihre Kernfunktion oder die Nutzerfreundlichkeit, anstatt zuerst ein guter Messenger zu sein, ein benutzerfreundlicher Emaildienst oder ein interessantes soziales Netzwerk, das einfach durchdachte Datenschutzfunktionen integriert. 

In einem Post-Snowden-Zeitalter ist es wichtiger denn je, empfindliche private Daten zu schützen und vor unbefugten Zugriffen oder Ausbeutung zu schützen. Es gibt genug Organisationen, die mit derartigen Daten Schindluder treiben, diese weiterverkaufen, oder gar für Fake-News-Kampagnen, Betrug, oder ähnliches verwenden. Facebook ist ein klassisches Beispiel hierfür. Diesen Firmen und Organisationen wird man jedoch nicht das Wasser abgraben, in dem man sich einfach einmauert und gar nicht mehr mit seiner Umwelt interagiert, egal ob jetzt digital, oder im echten Leben. Ebenso wenig helfen hier umständliche Anwendungen, die das Thema Datenschutz zu Lasten der anderen Funktionen übermäßig betonen.

Vor diesem Hintergrund richten Bürgerrechtler, Datenschutzbeauftragte und sonstige Aktivisten mit ihrem Beharren auf „den totalen Datenschutz“ oftmals mehr Schaden als Nutzen an. Fanatismus hat noch nie ein Problem gelöst, und nichts treibt Nutzer schneller in die Hände von Datenkraken wie Google oder Facebook als ein schlecht durchdachtes Konkurrenzprodukt, dass vor lauter Datenschutz seine eigentlichen Funktionen vernachlässigt. So lange sich jedoch große Teile der Deutschen Bevölkerung einfach vor diesem Götzenbild in den Staub werfen, anstatt auf einen pragmatischen Ansatz zu setzen, wird das Prinzip der Datensparsamkeit nicht mehr bleiben als eine schöne Illusion, ein Ideal das niemals erreicht werden kann.


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