Review - Nespresso VertuoPlus Limited Edition - Creme de la Crema?

Anno 2010, als ich noch in Deutschland lebte, ging einer meiner damals erfolgreichsten Artikel online, ein Review der damals neuen Senseo Viva Café. Ist das wirklich schon zehn Jahre her? Nun ja, viel ist passiert seitdem, nicht zuletzt auch mein Umzug nach Irland, was der Grund war, warum ich mich nach nur zwei Jahren von meiner Senseo verabschieden musste. Das System gab es in Irland schlicht und ergreifend nicht, und so blieb mir nichts anderes übrig, als wieder auf eine Siebträgermaschine umzusteigen, als ich endlich eine eigene Wohnung hatte. Acht Jahre lang hat mir diese Maschine treue Dienste geleistet, aber zum Schluss zeigte sie doch erhebliche Alterserscheinungen, nicht zuletzt auch eine gewisse Inkontinenz. Siebträger und Milchaufschäumer waren im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr ganz dicht! Es musste also Ersatz her.

Doch was nehmen? Ein Vollautomat wie ihn meine Eltern gehabt hatten kam aus finanziellen Gründen nicht in Frage, und die Aussicht auf eine weitere Siebträgermaschine war auch nicht wirklich prickelnd. Einer der der Hauptgründe für die Ablösung meiner alten Maschine war schließlich auch die Zeitfrage. In Zeiten von Home-Office fehlt mir oftmals schlicht und ergreifend die Zeit, zuerst den Kaffee zu mahlen, in den Filter umzufüllen, die Maschine auf Temperatur kommen zu lassen, dann den Kaffee zu kochen, eventuell noch Milch aufzuschäumen und dann irgendwann nach fünf bis zehn Minuten einen Kaffee in den Händen zu haben. Das mag als kleiner Luxus für’s Wochenendfrühstück gehen, während der Arbeitszeit ist so etwas aber eher problematisch. Es lief also auf ein Kapselsystem hinaus, wovon hier in Irland drei auf dem Markt sind: Tassimo, Dolce Gusto und Nespresso. Wenn ich ehrlich bin, ist diese Auswahl ein bisschen wie die berühmte Wahl zwischen Pest und Cholera, ich habe mich dann aber schlussendlich für Nespresso entschieden, wobei nicht zuletzt auch der Preis ausschlaggebend war.

Nespresso VertuoPlus Limited Edition

Wie man hier sehr schön sieht, unterscheiden sich die Vertuo-Kapseln deutlich vom "klassischen" Nespresso-System. Die schwarzen Markierungen sind der Barcode, über den die Maschine erkennt, welche Getränkegröße sie ausgeben soll, wie lange der Kaffee gebrüht werden soll, und so weiter.

Meine Wahl fiel auf eine Nespresso VertuoPlus Limited Edition in Weiß. Zusammen mit 100 Kapseln schlug diese Maschine mit 89€ zu Buche, was ein recht akzeptabler Preis ist. Nespresso Vertuo ist ein neues Kapselsystem, das von Nespresso eingeführt wurde, nachdem das Patent auf die ursprünglichen Nespresso-Kapseln 2011 ausgelaufen war. Natürlich konnte Nestle so etwas nicht zulassen, und so wurde dieses neue System entwickelt, um den Kunden wieder dauerhaft an ein proprietäres System zu fesseln, ähm ich meine natürlich, um hochwertigen Kaffeegenuss für Kunden zu gewährleisten. Ernsthaft. Das wollte ich schreiben. Sie können die Pistolen wieder von meinem Kopf wegnehmen, liebe Nestle-Konzernsicherheit.

Sarkasmus beiseite, das neue Vertuo-System hat einen für mich einen besonderen Vorteil. Es ist in der Lage, Kaffees in verschiedenen Größen zuzubereiten, während das ursprüngliche Nespresso-System ja nur Espressos zubereiten konnte. Für jemanden, der oftmals 50-Stunden-Wochen schrubbt, ist es ein massiver Vorteil, wenn man sich morgens erst mal einen richtig großen Pott machen kann, anstatt mehrere Espressos, und damit auch mehrere Kapseln hintereinander in die Maschine schmeißen zu müssen. Und ganz offen, wenn ich die Wahl zwischen Plastikkapseln und Aluminium-Pods habe, dann nehme ich doch lieber die Alu-Pods, vielen Dank. Nachdem ich meine Maschine dann am Freitag bestellt hatte, wurde sie am darauffolgenden Dienstag bereits geliefert. Ein Lieferversuch am Montag war, für UPS unüblich, fehlgeschlagen. Als ich das „Paket“, eigentlich eher ein massiver Kunststoffsack mit drei Paketen im inneren, sah, hatte ich auf einmal Verständnis. Das Ding war ein Monster, und mit das schwerste Paket, was ich seit langem bekommen habe, zumindest auf dem regulären Versandweg. 

Die Maschine

Meine Nespresso VertuoPlus in ihrer natürlichen Umgebung.

Die Maschine selbst bringt knapp 4,6 Kilo auf die Waage, was für eine derart einfache Maschine schon überraschend schwer ist. Der Lieferumfang ist recht überschaubar. Man erhält die Maschine, ein Abtropfgitter und einen Wassertank. Das Netzkabel ist fest mit der Maschine verbunden, was ich bei Kaffeemaschinen eigentlich auch so gewohnt bin. Sowohl meine alte Senseo als auch meine DeLonghi-Siebträgermaschine hatten ähnliche fest verbaute Kabel. Zusätzlich wird auch noch ein Probierset aus zwölf Kapseln mitgeliefert, das bei mir separat verpackt war, bei Maschinen, die im Einzelhandel verkauft werden, jedoch in der Verpackung der Maschine beiliegt. Den üblichen Wust an Bedienungsanleitungen, Garantieerklärung und Haftungsausschlüssen erwähne ich hier nur beiläufig. Ein weiteres, giftgrünes Paket enthielt die bereits angesprochenen 100 weiteren Kapseln, in zehn Paketen mit je zehn Pods, wobei jedes Zehnerpaket zu einer anderen Sorte gehört. 

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um mich bei dem UPS-Boten zu entschuldigen, der dieses Monster in den dritten Stock schleppen musste.

So sieht das ganze ohne die Plastikhülle aus. Die giftgrüne Schachtel auf der rechten Seite enthält die Kaffeekapseln.

Und so sieht alles ausgepackt aus. Die Kombination aus Probierset Bildmitte) und den 100 Kapseln (links) sollte erst mal reichen. Der Milchaufschäumer neben den Kapseln wurde separat gekauft.

Die Maschine selbst ist extrem einfach gehalten. Mit Maßen von 22 x 34,9 x 32,5 cm ist sie überraschend groß, auch wenn sie kleiner wirkt. Die Vorderseite wird von der fest verbauten Ausgussgruppe sowie einem höhenverstellbaren Abtropfgitter mit Tropfschale dominiert, während die Rückseite vom Kapselbehälter für Leerkapseln dominiert wird. Der Wassertank ist dahinter, lässt sich mit seiner Basis aber frei verschieben, so dass er je nach Bedarf direkt hinter der Maschine, links, oder rechts positioniert werden kann. Ein kleines Detail, dass die Positionierung der Maschine aber deutlich leichter macht. Auf der Oberseite schließlich befindet sich der einzige echte Knopf auf der ganzen Maschine. Dieser dient als Ein/Aus-Schalter, sowie zum Starten der Zubereitung oder eines Reinigungsvorgangs, je nachdem wie oft man drückt. Quasi das iPhone unter den Kaffeemaschinen. Etwas davor, oberhalb der Ausgussgruppe, befindet sich der Hebel zum Öffnen des Kapselhalters. Im Gegensatz zu anderen Maschinen der Vertuo-Familie erfolgt dies bei der VertuoPlus elektrisch, so dass ein leichtes Antippen ausreicht, um den Kapselbehälter zu öffnen oder zu schließen. 

Die Kapseln

Ich muss an dieser Stelle einmal auf die Vertuo-Kapseln zu sprechen kommen. Diese sind nämlich komplett anders aufgebaut als klassische Nespresso-Kapseln, weshalb die beiden Systeme untereinander auch nicht kompatibel sind. Zum einen gibt es Vertuo-Kapseln in drei verschiedenen Größen, die fünf verschiedene Kaffeegrößen abliefern können, von überschaubaren 80ml bis hin zu 414ml für den „Wer zum Teufel setzt einen Conference Call für Sieben Uhr morgens an?“-Kaffee. Wie viel Wasser die Maschine dafür aufbrühen muss, erfährt sie durch einen Barcode, der auf der Unterseite der „Lippe“ einer jeden Vertuo-Kapsel aufgedruckt ist. Böse Zungen könnten auch behaupten, dies diene dazu sicherzustellen, dass kein Drittanbieter einfach so geklonte Kapseln herstellen kann. Hinzu kommt noch die ungewöhnliche Zubereitungsmethode. Anstatt wie bei Espressomaschinen üblich das Wasser unter Druck in den Kaffee zu pressen, nutzt Nespresso beim Vertuosystem Zentrifugalkraft, in dem die Kapseln auf bis zu 7200 Umdrehungen pro Minute beschleunigt werden, wodurch das Wasser auf die Art durch den Kaffee gepresst wird. Alles für den Vendor Lock-In, könnte man sagen. 

Im täglichen Gebrauch

Aber jetzt mal Schluss mit dem Sarkasmus, wie schlägt sich das Ding im täglichen Betrieb? Ich habe die Maschine jetzt seit knapp einer Woche im Einsatz, und ich bin von ihr bis jetzt recht angetan. Die Bedienung könnte einfacher nicht sein. Ein Knopfdruck schaltet die Maschine ein, und nach ca. vierzig Sekunden Aufwärmzeit ist sie dann einsatzbereit. Ein leichter Druck auf den Hebel genügt, um den Kapselhalter zu öffnen. Falls sich noch eine Kapsel von einem vorherigen Kaffee im Halter befindet, wird sie dadurch automatisch in den Behälter auf der Rückseite der Maschine ausgeworfen. Danach muss man einfach nur noch eine Kapsel einlegen, die Maschine schließen, und einmal auf den Knopf auf der Oberseite drücken. Den Rest macht die Maschine automatisch. Ach ja, es soll helfen, eine ausreichend große Tasse oder einen Becher unterzustellen. Die Zubereitung erfolgt überraschend leise, man hört nur ein leises Surren, wenn die Kapsel auf die nötige Umdrehungszahl gebracht wird, und das war’s. Der Brühvorgang an sich dauert weniger als eine Minute, wobei dies je nach Größe natürlich variieren kann. 

Dieser Knopf ist, neben dem Hebel unterhalb des Nespresso-Schriftzugs, die einzige Eingabemöglichkeit auf der ganzen Maschine.

Eine Kapsel in der Brühkammer.

Die Maschine bei der Arbeit. Die Crema ist nicht ganz so massiv, wie es hier den Anschein hat.

Und weg damit! Beim Öffnen der Brühkammer werden etwaige noch vorhandene Kapseln elegant entsorgt.

Charakteristisch für alle Nespresso-Maschinen ist die sehr dicke Crema, die bei der Zubereitung erzeugt wird. Bei größeren Kaffeeportionen kann da schon mal der Eindruck entstehen, man hätte sich da gerade ein Guinness eingeschränkt. Diese Crema ist auch der Grund, warum man sicherheitshalber lieber eine etwas größere Kaffeetasse nehmen sollte, erst recht, da sich Nespresso ein paar proprietäre Portionsgrößen ausgedacht hat. Der Kaffee selbst ist heiß, aber nicht kochend heiß. Ich habe jetzt kein Thermometer, um die Temperatur zu messen, und ganz offen, wenn ich meinen Kaffee mithilfe von Thermometern zubereiten würde, wäre ich vermutlich kein Nespresso-Kunde, aber nach meiner Erfahrung entspricht die Temperatur dem, was bei Kaffees normalerweise üblich ist.

So sieht die Crema aus, wenn sich alles nach der Zubereitung etwas beruhigt hat.

Und dann wäre da natürlich noch der Geschmack. Ich bin fast durch mit dem Probierset, und habe bis jetzt noch nicht die eine Sorte gefunden, auch wenn ich schon auf ein paar gestoßen bin, die recht nah dran sind. Eines haben jedoch alle Sorten gemeinsam: Sie sind recht geschmacksintensiv. Natürlich gibt es Variationen, und einige hauen mehr rein als andere, sie sind aber durch die Bank intenisver als das, was meine Siebträgermaschine bis dato abgeliefert hat. Und ganz offen, einen Espresso namens Diavolito werde ich nur mit SEHR viel Milch testen. Mein Herz leistet so schon Schwerstarbeit. Im Großen und Ganzen gibt sowohl die Maschine an sich als auch das Vertuo-Ökosystem an sich bis jetzt einen guten Eindruck ab. 

Ein Thema, das bei Kapselsystemen wie Nespresso immer wieder zur Sprache kommt ist, was mit den gebrauchten Kapseln passiert. Nespresso bietet dafür hier in Irland ein Rücknahmesystem an. Meiner Bestellung lagen eine Reihe von Recycling-Taschen an, die, sobald sie gefüllt sind, entweder bei einer Nespresso-Boutique abgegeben werden können, oder von UPS kostenfrei abgeholt werden. Zusätzlich gibt es auch noch die Möglichkeit, diese Taschen bei einem Parcel Motel, einem irischen Gegenstück zur Packstation, abzugeben, von wo aus dann UPS und deren Tochter Nightline den Weitertransport zurück zum Hersteller übernehmen. Bei mir ist es zwar noch nicht so weit, aber mein Plan ist, die gebrauchten Kapseln bei unserer örtlichen Boutique abzugeben. So hat man wenigstens einen Grund, immer mal wieder in die Innenstadt zu fahren. 

Fazit

Was bleibt am Ende zu sagen? Nun, mir ging es beim Kauf meiner Nespresso-Maschine vor allem darum, schnell und unkompliziert guten Kaffee zu bekommen, ohne dabei Unmengen an Geld für einen Vollautomaten ausgeben zu müssen. Diese Anforderungen erfüllt die VertuoPlus ohne Zweifel. Sie ist komfortabel, leise, einfach zu bedienen, und der Kaffee schmeckt durch die Bank gut, auch wenn einige Sorten doch schon ziemlich reinhauen. Ich bereue den Kauf bis jetzt also definitiv nicht.

Natürlich stellt so ein Kapselsystem immer eine gewisse Einschränkung dar. Dies lässt sich nicht bestreiten. Vendor Lock-In ist bei Nespresso definitiv Programm, und dies mag für manche Menschen ein KO-Kriterium sein. Ich sollte es wissen, ich gehörte bis vor kurzem dazu. Und ja, auch der Umweltaspekt muss hier beachtet werden. Aluminium ist ein begrenzter Rohstoff, ob Nespresso jetzt einen Rückgabeservice für gebrauchte Kapseln anbietet oder nicht. Dies ist allerdings ein Problem, das alle Kapselsysteme mit sich bringen, mit Ausnahme von Senseo vielleicht, die ja Textilpads nutzen. Und wie eingangs erwähnt sind Aluminiumkapseln in meinen Augen immer noch eine deutlich bessere Option als die Plastikkapseln, die von einigen Konkurrenzsystemen genutzt werden.

Im Endeffekt ist dies eine Rechnung, die jeder für sich machen muss. Ich kann und werde da niemandem irgendwelche Vorschriften machen, wie er oder sie sich zu verhalten hat. Wer bin ich denn, ein Querdenker? Es gibt eine bestimmte Zielgruppe, für die ist ein System wie Nespresso eine Option, und ich gehöre zu dieser Zielgruppe. In diesem Sinne hol ich mir erst mal ne Tasse!

Cheers!

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