Dies ist der dritte Teil einer sechsteiligen Reihe über eine Rückkehr nach Frankfurt nach zehn Jahren in Irland. Zum vorherigen Teil geht es hier!
2. Mai
Dieser Tag war derjenige, auf den ich mich am wenigsten freute. Es sollte nach Speyer gehen, zum Grab meiner Eltern. Ich hatte dieses zum letzten Mal an einem kalten Januartag im Jahr 2018 gesehen, als ich meinen Vater, Ulrich Milde, zur letzten Ruhe geleitet habe. Meine Mutter hatte ich vier Monate zuvor zu Grabe getragen. Es würde definitiv kein leichter Trip werden, aber ich hatte das Gefühl, dass ich es den beiden schuldig war.
Gottlob war das Hotel an diesem Morgen deutlich weniger stark frequentiert als noch am Tag zuvor, was das Frühstück zu einer deutlich entspannteren Angelegenheit machte. Generell war Frankfurt aus seinem Belagerungszustand vom gestrigen Tag erwacht, was sich auch in der Tatsache niederschlug, dass die Straßenbahnen wieder durch die Innenstadt fuhren. Die Anreise zum Hauptbahnhof klappt dementsprechend problemlos.
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Das der Frankfurter Hauptbahnhof einer Baustelle gleicht ist nicht wirklich ungewöhnlich. |
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Die Bahnhofshallen sind jedoch nach wie vor beeindruckend. |
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Wie oft bin ich hier durchgehetzt, um einen Anschlusszug zu erwischen, ob auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause... |
Am Frankfurter Hauptbahnhof angekommen, entpuppte sich der Ticketkauf als überraschend problematisch, da große Bereiche des Reisezentrums für den Verkaufsstart des neuen Deutschland-Tickets reserviert worden waren, und sich trotz allem noch massive Schlangen durch die Haupthalle des Bahnhofs erstreckten. Mit einem flexiblen Erste-Klasse-Ticket ging es in die DB-Lounge, wo sich wiederum das WLAN-Problem nach einigem rumprobieren endlich lösen ließ. Die Lounge an sich war in den zehn Jahren seit meinem Wegzug ganz offensichtlich umgebaut worden, und ich war vom neuen Dekor nicht wirklich begeistert. Der Ausblick auf die Gleise und Halle des Frankfurter Hauptbahnhofs war aber nach wie vor so beeindruckend, wie ich ihn in Erinnerung hatte.
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Den Anblick aus der DB Lounge habe ich in Frankfurt früher öfters genießen können! |
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Der ICE 4 hingegen war für mich gänzlich neu. |
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Zumindest in der 1. klasse war der Zug aber sehr bequem! |
Für die Fahrt nach Mannheim würde der ICE 277, ein ICE 4 mit Endziel Basel herhalten. Für mich war dies eine Premiere, denn auf meinen bisherigen Fahrten zwischen Frankfurt Flughafen und Speyer waren bisher immer die Rennrettiche vom Typ ICE 3 zum Einsatz gekommen. Der Zug war selbst in der 1. Klasse ziemlich voll, daher habe ich nicht wirklich viele Fotos machen können, aber selbst für meinen nicht zu klein geratenen Hintern waren die Sitze mehr als geräumig und bequem. Beinfreiheit war ebenfalls exzellent und auch das WLAN war schnell. Die Fahrt an sich war komisch, gleichzeitig vertraut und fremd. Die Ausblicke vom Zugfenster aus, die Landschaften, die Ortsnamen, die Bahnhöfe, alles war altbekannt. Zwischen 2009 und 2017 war die Fahrt von Frankfurt über Mannheim nach Speyer ein regelmäßiges Ereignis für mich gewesen, zuerst alle paar Wochen und dann ab 2012 alle paar Monate. Bei all diesen Fahrten hatte es immer eine Konstante gegeben, eine behaglich eingerichtete Wohnung in Speyer, sowie die freudigen Gesichter meiner Eltern bei meiner Ankunft. Bis zu einem gewissen Novemberabend im Jahr 2017. Zu wissen, dass mich diesmal nichts dergleichen erwarten würde, war bedrückend, und doch war ich es den beiden schuldig, vorbeizuschauen.
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Die Bilder vor dem Zugfenster waren mir alle schmerzlich bekannt. Landschaften, Ausblicke... |
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...Städte oder Bahnhöfe, alles war noch wie früher. |
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Auch in der S-Bahn nach Speyer setzte sich das ganze fort. |
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Wie oft bin ich durch diesen Bahnhof gefahren... |
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die Ankunft in Speyer war geradezu surreal. |
Und ja, der Besuch am Speyerer Friedhof war bedrückend, ohne Zweifel. Das Leben zweier wunderbarer Menschen war auf eine schlichte Grabplatte, und die darunter liegenden Urnen, reduziert worden. Dieser Anblick brachte viele bewältigt geglaubte Gefühle wieder an die Oberfläche. Die Trauer, all die Worte, die ich nie sagen konnte, die Erlebnisse, die ich nie mit ihnen teilen können würde, all dies brach aus mir heraus, und es gab Tränen, viele Tränen. Doch unter all dieser Trauer war auch etwas anderes. An diesem milden Nachmittag im Mai, als die Sonne durch das Blätterdach der alten Bäume am Friedhof blitzte, merkte ich, wie recht mein Vater damals gehabt hatte, als er ich für dieses Grab entschieden hatte. Die Grabplatte war schlicht und dennoch schön, und die Bäume spendeten wohltuenden Schatten vor der schon überraschend intensiven Sonne. Hätte mich auch gewundert, wenn mein Vater seiner alten Intimfeindin, der Sonne, das letzte Wort überlassen hätte.
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Was bleibt von einem Leben übrig? |
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Einen schönen Platz haben die beiden aber schon erwischt. Und ganz offen, dass es im Umfeld meiner Eltern aussieht wie Kraut und Rüben ist jetzt auch nicht wirklich ungewöhnlich... |
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Die Wormser Straße. So nah, und doch so unendlich fern... |
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Es ging also zurück zum Hauptbahnhof... |
Ich verließ den Friedhof mit einem traurigen Gefühl in der Magengegend. Im Gegensatz zu meinem letzten Besuch hier, am Tag der Beisetzung meines Vaters, handelte es sich diesmal aber nicht um ein alles erdrückendes Gefühl des Verlusts und der Hoffnungslosigkeit. Ich wusste diesmal, dass es weitergehen würde und das eventuell meine besten Tage sogar noch vor mir liegen könnten. Meine Füße waren jedoch anderer Meinung, und haben dieser Meinung auf dem Rückweg zum Speyerer Hauptbahnhof deutlich Ausdruck verliehen.
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Wiederum ein sehr vertrauter Anblick: Die S3, die mich nach Mannheim bringen würde. |
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Fahr ich nur ins Hotel oder zurück in meine Wohnung in Kilianstädten? |
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Ich mag den TGV Euroduplex einfach. Nur diese inoui-Marke geht mir auf den Zeiger. Was hat sich das SNCF-Management dabei nur gedacht? |
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Der Zug an sich ist jedoch einfach nur saubequem! |
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Diesen Blick über das Gleisvorfeld des Hauptbahnhofs habe ich früher täglich erlebt... |
Die Rückfahrt nach Frankfurt wurde zu einem ziemlich überraschungsreichen Unterfangen. Der Hauptbahnhof Speyer befand sich mitten im Umbau und auch hier war das kleine Reisezentrum überlaufen von Leuten, die sich das neue Deutschland Ticket holen wollten, während die wenigen Fahrkartenautomaten von einer Gruppe weinseliger Pensionisten auf Fahrradtour in Beschlag genommen wurden. Kurz vor Abfahrt meiner S-Bahn gesellte sich noch eine Schulgruppe zu diesem Chaos. Ich konnte trotzdem noch rechtzeitig meine Rückfahrkarte nach Frankfurt ziehen. In Mannheim ging das Chaos gleich weiter. Meinen geplanten Anschlusszug konnte ich nicht mehr erreichen, weshalb ich logischerweise auf den nächsten Zug warten musste. Bei diesem handelte es sich um einen um 40 Minuten verspäteten TGV aus Paris. Ich war schon immer ein Fan der Doppelstock-TGV, also gab es von meiner Seite natürlich keinerlei Beschwerden. Im Nachhinein komme ich nicht umhin zu denken, dass da jemand (Blick fällt auf ein Bild meiner Eltern) nachgeholfen hat, denn bei diesem Zug handelte es sich um den gleichen TGV, mit dem ich am 10. Januar 2018 das letzte Mal nach Frankfurt gefahren war, damals über den Hauptbahnhof, um nach der Beisetzung meines Vaters Deutschland auf längere Zeit gänzlich den Rücken zu kehren. Eine interessante Synchronizität, die mir erst ein paar Tage später wirklich bewusst wurde. Die chaotischen Umstände gerade auch der Rückfahrt würden genau zum Humor meiner Eltern passen.
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Ein Toastie und Chips - Mehr hab ich an diesem Tag wirklich nicht gebraucht. |
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Die One Lounge im Motel One Frankfurt Römer kann sich einfach sehen lassen! |
Ein letztes bißchen Chaos wartete jedoch noch in Frankfurt auf mich. Ich hatte den ganzen Tag lang mein iPhone als zweite Kameras verwendet, was dazu geführt hatte, dass der Akku bei der Einfahrt meines Zuges in Frankfurt aus dem letzten Loch pfiff. Mein Ladekabel machte sich einen ruhigen Tag in meinem Hotelzimmer, also wollte ich schauen, ob ich noch schnell irgendwo eine Power Bank auftreiben konnte. Mein Weg führte mich in einen mir sehr vertrauten Elektromarkt im myZeil-Einkaufszentrum, wo ich nicht nur eine Powerbank fand, sondern genau das Modell, dass ich vorher über Monate vergeblich versucht hatte, in Irland aufzutreiben. Mit diesem kleinen Erfolg zum Abschluss war es an der Zeit, den Tag in Ruhe ausklingen zu lassen. Da meine Füße kurz davor waren, in den Streik zu treten, geschah dies in der Lounge meines Hotels, was mir bei dem stylischen Interieur des Motel One nicht schwer fiel.
Zum vierten Teil dieser Serie geht es hier entlang!
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