Zurück auf Anfang - Teil 5: Terra Incognita?

Dies ist der fünfte Teil einer sechsteiligen Serie über meinen Besuch in meiner ehemaligen Wahlheimat Frankfurt. Zum vorherigen Teil geht es hier entlang!

4. Mai

Am letzten Tag stand einkaufen auf dem Programm, neben dem Besuch am Grab einer der Hauptgründe für meinen Besuch in Frankfurt. Dies geriet um ein Haar zu einem absoluten Debakel. Die Modehauskette C&A war über lange Jahre hinweg mein Haus-, und Hoflieferant gewesen, nicht zuletzt aufgrund ihrer gut sortierten Auswahl an Kleidung in Übergröße, wie ich sie nun mal leider benötige. Ich hatte vor meinem Abflug extra noch mal auf deren Website nachgeschaut, um sicherzustellen, dass sie diese nach wie vor im Programm haben. Laut Website war dies auch noch der Fall. Wie ich im C&A in Frankfurt aber auf die harte Tour herausfand, gibt es diese Übergrößen nur noch online. Und wohin wird natürlich nicht geliefert? Richtig, Irland! Ich habe zwar eine alternative Quelle finden können, jedoch hat diese Geschichte bei mir einen üblen Nachgeschmack hinterlassen.

Bereits kurz nach seiner Eröffnung im Jahr 2009 hatte mich das MyZeil in den Bann gezogen.

Von den geschwungenen Brücken und Wegen...

...über die alles dominierenden Trichter brach das myZeil mit so ziemlich allem, was ich bis dahin architektonisch gewohnt war, erst recht in einer Stadt wie Frankfurt!

Jetzt, vierzehn Jahre nach seiner Eröffnung, ist das MyZeil immer noch faszinierend.

Doch auch die immer noch alles dominierenden Trichter können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Qualität des MyZeil in den letzten Jahren gelitten hat, sowohl im Bereich der Geschäfte, als auch der Gastronomie.

Dies war jedoch noch lange nicht das Ende der Enttäuschungen für mich. Das Einkaufszentrum MyZeil war vom Moment seiner Eröffnung an eines meiner Lieblingsziele in Frankfurt, wegen seiner unkonventionellen Fassade aber auch wegen der dort angesiedelten Geschäfte. Der dortige Saturn war bei seiner Eröffnung der größte seiner Art in Deutschland, und von Computerspielen über Tastaturen und Mäuse bis hin zu Kaffeemaschinen hab ich jede Menge Geld da gelassen. Es war sogar das Thema eines meiner ersten Posts auf diesem Blog gewesen, vor mittlerweile fast vierzehn Jahren! Mir war schon bei meinem ersten Besuch nach meiner Rückkehr aus Speyer aufgefallen, dass das Einkaufszentrum deutlich dunkler schien als bei meinem letzten Besuch vor über elf Jahren. Jetzt, am vierten Tag meines Besuchs, bestätigte sich dies leider. Schwarz und dunkelbraun waren die dominierenden Farben, vom weiß der Anfangsjahre war kaum noch etwas übrig. Auch die Gastronomie war komplett umgekrempelt worden. Viele der unabhängigen oder kleinen Kettenrestaurants waren verschwunden und durch globale Ketten ersetzt worden, ein Trend, der mir schon an den Tagen zuvor am Hauptbahnhof aufgefallen war. 

Nun bin ich, was die Globalisierung angeht, weiß Gott kein Kind von. Traurigkeit, und für gute Burger wie bei Five Points ist immer Platz, aber wenn ich Namen wie Chipotle in Frankfurt sehe, fühlt sich das für mich doch irgendwie falsch an. Die größte Enttäuschung war jedoch Saturn, für lange Zeit der Elektronikdealer meines Vertrauens. Bei seiner Eröffnung hatte dieser die beiden Ebenen, die er im MyZeil belegt, komplett ausgefüllt und erstreckte sich auf der oberen Ebene bis zur geschwungenen Fensterfront des MyZeil, was dem Markt eine gewisse Offenheit verlieh. In den Jahren seit meinem Abflug hat sich Saturn komplett von der Außenwelt abgeschottet. Der komplette Laden wirkte bei meinem Besuch einfach nur beengend und bedrückend. Das viele Regale eigenartig kahl waren, hat dem Ambiente nicht wirklich geholfen. Schlussendlich war es aber ein Mangel an Bedarf, der mich schnell wieder raus getrieben hat. Vieles von dem, was ich kaufen wollte, machte einfach keinen Sinn, da ich ja am folgenden Tag wieder zurück nach Irland fliegen würde, und so oder so nur wenig Platz in meinem Koffer hatte.

dieser schmale Gang in die Kellergeschosse der ehemaligen Großmarkthalle bedeutete für tausende Menschen den Anfang vom Ende. Es ist nur angemessen, dass er heute als Mahnmal dient.

Die Deutschherrnbrücke teilt den Osthafenpark in zwei Teile.

Das komplette Parkgelände wird vom Hochhaus der neuen EZB- Zentrale dominiert.

Die Deutschherrnbrücke stellt immer noch einen wichtigen Teil des Frankfurter Eisenbahnnetzes dar.


Nach einem schnellen Mittagessen sowie einem Zwischenstopp im Hotel, um meine Einkäufe loszuwerden, stand noch ein letzter semi-touristischer Punkt auf meiner Liste. Das Areal um den neuen Hauptsitz der Europäischen Zentralbank am Osthafen. Hierbei handelte es sich um ein Gebiet, das für mich gänzlich neu war, da die EZB im August 2012 noch in Bau war und auch die Regenerierung der Umgebung noch nicht angelaufen war. Bei diesem Gelände handelt es sich noch dazu um geschichtsträchtigen Grund, schließlich diente die alte Großmarkthalle, die einen Teil der neuen EZB-Zentrale bildet, im 3. Reich als Sammellager für jüdische Mitbürger, die von hier aus in die Vernichtungslager des NS-Regimes verschleppt wurden, um dort ermordet zu werden. Da die ehemalige Markthalle an sich Teil des Sicherheitsbereichs der EZB ist, ist diese nicht öffentlich zugänglich. Stattdessen wurden Zitate von Zeugen und Überlebenden in. Die Zugangswege zum Osthafenpark, sowie in das in die Deutschherrnbrücke integrierte ehemalige Eisenbahnstellwerk eingraviert. Die Zugangsrampe ins Kellergeschoss, in dem die Opfer des NS-Rassenwahns eingepfercht waren, bis es zum Abtransport ging, war als Mahnmal wiederhergerichtet worden.

Der Hafenpark an sich erstreckt sich vom Osthafen selbst, der nach wie vor aktiv ist, über das komplette Gebiet der ehemaligen Ruhrorter Werft und ist Teil eines durchgehenden Grüngürtels am nördlichen Mainufer. Die Ruhrorter Werft war Anfang des 20. Jahrhunderts als Umschlagplatz für Kohle gebaut worden, wobei der Name nicht umsonst eine Verknüpfung mit dem Herzstück der Stahlindustrie im Ruhrpott herstellte. Mit dem Niedergang der Bergbauindustrie in Deutschland ging es aber auch der Ruhrorter Werft irgendwann an den Kragen, und für die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts diente das Gelände als Schrottplatz. Obwohl das Areal mit seinen ausgedehnten Gleisanlagen und Kranbrücken für diesen Zweck sehr gut geeignet war, ging auch diese Zeit vorbei. Vom Anfang des 21. Jahrhunderts bis in die 2010er Jahre lag das Gebiet brach, bevor Ende der 2010er die Umgestaltung zum Park begann.

Ein paar alte Güterwaggons sowie ein Brückenkran erinnern an die Vergangenheit dieses Geländes als wichtiger Umschlagplatz für Güter.

Ein weiterer Kran ermöglicht auch einige interessante Perspektiven.

Dieser ist wohl mittlerweile in ein Restaurant integriert, das ich aber nicht testen konnte.

Ich sag's ganz offen: dieser Teil Frankfurts war für mich lange Zeit eine Terra Incognita.


Dem ist nichts hinzuzufügen!


Auch wenn die Umgestaltung in meinen Augen sehr gut gelungen ist, so fehlte es bei meinem Besuch vor allem an einem: Schatten! Ich war zwar deutlich wetterkonformer gekleidet als am Tag zuvor, aber die Sonne brannte trotzdem unbarmherzig. Diesen Umständen zum Trotz war ich von der ganzen Parkanlage recht angetan, erst recht von den erhaltenen Kranbrücken und Eisenbahnwaggons, den letzten Zeugen der industriellen Vergangenheit des Geländes. Ebenso angetan, wenn auch überrascht war ich von einem „Himmelsschreiber “, der mit seiner Maschine diverse Botschaften in den Himmel über Frankfurt druckte. „Endlich Frühling war eine der in den Himmel geschriebenen Botschaften, eine, der ich mich definitiv anschließen konnte.

Zeit für ein letztes Abendessen.

Am Ende ergibt alles einen Gin!


Irgendwann wurde es aber auch für mich Zeit, mich auf den Weg zurück in’s Hotel zu machen, auch wenn ein Zwischenstopp in einem Kaffee trotz allem noch drin war. Es mussten Bilder von der Kamera importiert werden und auch meine diversen Einkäufe mussten aus ihren Verpackungen entfernt und reisefertig in meinem Koffer untergebracht werden. Am folgenden Tag stand nämlich der Rückflug nach Irland an. Dementsprechend lies ich den Abend ein letztes Mal in der One Lounge ausklingen, in einem Ambiente, das es mir definitiv angetan hatte.


Zum sechsten und letzten Teil dieser Serie geht es hier entlang!

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