Motorola Milestone - Stein der Weisen oder reif zum steinigen?

Einleitung

Ich geb es zu, als ich meinen Eltern von meiner Neuerwerbung erzählt habe hatte ich nicht allzu viel Hoffnung das Gespräch zu überleben.
"480 Euro für ein Handy??? Bist du jetzt endgültig vollkommen übergeschnappt????"
Tja, wenn schon ein neues Handy, dann soll es sich auch lohnen. Aber lohnt sich das Milestone überhaupt? Gelingt es dem US-Hersteller damit, sein maues Image in Europa zu korrigieren? Meiner Meinung nach ja, wie man aus diesem Testbericht entnehmen kann.

Der Stein des Anstoßes - das Motorola Milestone

Das Milestone ist Motorolas neuester Wurf im Smartphone-Bereich. Beim Betriebssystem hat man auf das beim Konkurrenten HTC bereits bewährte Google Android gesetzt, was ab Werk in Version 2.0.1 auf dem Gerät installiert ist. Ein Update auf Version 2.1 ist sowohl über die Motorola-Homepage als auch als sogenanntes OTA (Over-the-Air)-Update vorhanden und dringend empfohlen. Aber zu der Thematik später mehr.

Hardware - von Oberflächlichkeiten und anderen Außenansichten

Die Technischen Spezifikationen des Milestone lesen sich beeindruckend:

  • 3,7-Zoll Touchscreen (kapazitiv) mit 480x854 Pixeln
  • 5-Megapixel-Kamera mit Autofokus und Foto-LED
  • ARM-Cortex A8 CPU mit 550 Mhz
  • 256 MB SDRAM, 512 MB ROM,
  • SDHC-Kartenslot für Karten bis 32GB
  • GSM, UMTS, EDGE, GPRS und HSPA
  • 1400 mAh-Lithium-Polymer-Akku
  • Multitouch, Lagesensor, GPS-Empfänger
  • Ausziehbare QWERTZ-Tastatur.
 Durch einen Slider Verborgen - Das "Mäuseklavier" des Milestone

Das ganze hat Motorola in ein Gehäuse von 115,8 x 60 x 13,7 Millimeter gepackt. Das gesamte Gerät inklusive Sim-Karte brachte bei mir 170 Gramm auf die Wage, ist also für Mobiltelefon-Maßstäbe relativ schwer. 
Von außen wirkt das Gerät auf den ersten Blick schmucklos und kantig, aber zeitgleich sehr hochwertig. Kleine Details, wie der kupferfarbene Auslöser für die Kamera oder der ebenfalls kupferfarbene, leicht versenkte Lautsprecher auf der Rückseite lockern das ganze etwas auf. Die Gummierung auf der Rückseite sorgt für einen besseren Halt, und das Gerät liegt trotz seines kantigen Eindrucks sehr gut in der Hand. 
Das Gehäuse besteht teilweise aus Metall, was zusammen mit dem hohen Gewicht und der sehr guten Verarbeitung einen grundsoliden Eindruck macht. Dies setzt sich auch bei der ausziehbaren Tastatur fort, die angenehm schwergängig ist und mit einem deutlich vernehmbaren *klack* einrastet. So muss das sein! Die besteht zwar nur aus einer Gummimatte über den eigentlichen Kontakten und nicht aus einzelnen Tasten wie bei einigen Konkurrenzprodukten, ist aber trotzdem sehr angenehm zu bedienen und macht das Schreiben von SMS und E-Mails erheblich angenehmer. Das Steuerkreuz rechts davon vereinfacht zusätzlich die Bedienung. Die Vorderseite des Gehäuses wird vom 3,7 Zoll großen Touchscreen dominiert. An dessen Unterseite befinden sich die bei Android-Geräten üblichen vier Schnelltasten Zurück, Menü, Home, und Suche. Es handelt sich hierbei streng genommen nicht um Tasten sondern um einen Teil des Touchscreens mit fest zugewiesenen Funktionen. Generell hat sich Motorola bei der Verteilung von Tasten auf diesem Gerät sehr zurückgehalten. Wenn man die Slider-Tastatur mal außer Acht lässt verfügt das Milestone nur über drei Schalter: Den Ein/Aus-Schalter auf der Oberseite mit dem auch die Bildschirmsperre eingeschaltet wird, sowie den Lautstärke-Regler und den Auslöser für die Kamera auf der rechten Seite.




Auch ansonsten gibt es sehr wenig an der Außenseite des Milestone zu sehen. Nur zwei Anschlüsse sind auf der Außenseite verteilt, ein Micro-USB-Anschluss auf der Linken Seite und ein 3,5mm-Kopfhörer-Anschluss auf der Oberseite neben dem Aus-Schalter.
Beim Lieferumfang gibt sich Motorola spartanisch:

  • Ladegerät und USB-Ladekabel (kann vom Ladegerät getrennt und als Datenkabel verwendet werden)
  • Stereo-Headset
  • Motorola Synchronisations-Software auf CD
  • Kurzhandbuch
  • Ersatzclips und Überzüge für das Headset.
Alles in Allem nichts was man nicht schon von anderen Herstellern kennen würde. Die Klangqualität des Headsets geht in Ordnung, auch wenn audiophile ob meines Urteils vermutlich schon die Heugabeln rausholen und die Fackeln anzünden.
Ein größerer Kritikpunkt ist da schon das kombinierte Lade/Datenkabel. Es ist mit knapp 70cm einfach zu kurz um das Milestone sicher auf einem Schreibtisch o.Ä. zu laden. Auch das anschließen am PC wird damit erschwert, denn nicht jeder hat USB-Steckplätze am Monitor oder einen USB-Hub auf dem Schreibtisch. Hier sollte Motorola beim in Arbeit befindlichen Nachfolgemodell dringend nachbessern.
Stichwort Schreibtisch: Wer wie ich sein Handy auf dem Nachttisch liegen hat wird in der ersten Nacht eine böse Überraschung erleben. Direkt neben dem Micro-USB-Anschluss befindet sich eine kleine unscheinbare LED. Sobald man das Gerät lädt leuchtet diese LED weiß auf. An Schlaf ist somit nicht mehr zu denken und aufgrund der Helligkeit dieser kleinen LED besteht für Vampire bzw. Werwölfe sogar existentielle Gefahr. Wer also nicht die ganze Nacht den künstlichen Vollmond anheulen will, oder angesichts der enormen Lichstärke zu Staub zu zerfallen droht, dem sei die Dockingstation ans Herz gelegt die Motorola zusätzlich anbietet.
Aber trotz allem macht das Gerät von außen einen sehr guten Eindruck. Es passt alles zusammen, ist sehr gut verarbeitet und liegt extrem gut in der Hand. Das es sehr gut aussieht erwähne ich nur so am Rand.


Software - Android inside

Der Homescreen des Motorola Milestone - Durch Apps aus dem Market dem HTC Hero nachempfunden

Das Motorola Milestone war zum Zeitpunkt der Markteinführung das erste Smartphone das mit Google's neuester Version des Betriebssystems Android, 2.0.1 ausgestattet war. Mittlerweile sind mit dem Google Nexus One sowie einigen Modellen von HTC auch andere Geräte mit dieser Version auf dem Markt erhältlich.
Motorola hat beim Milestone darauf verzichtet, eine eigene Benutzeroberfläche zusammen zu stricken, wie es z.B. HTC mit seiner Sense-Oberfläche getan hat. Man bekommt also Android pur. Das hat soweit Vor-, als auch Nachteile. Der Vorteil ist das vor allem User, die von Geräten mit früheren Android-Versionen, wie z.B. dem G1 oder dem HTC Magic keinerlei Probleme beim Umsteigen haben. Auch ist man nicht durch etwaige Einschränkungen des Herstellers gebremst.
Die Nachteile zeigten sich vor allem bei den ersten Geräten. So war der Stromverbauch exorbitant hoch, und die Kamera hatte unter einem abstrusen Software-Fehler zu leiden der dafür sorgte das der Autofokus 24,5 Tage nur ungenügend funktionierte, während er die nächsten 24,5 Tage dann einwandfrei arbeitete. Die Ursache dafür ist bis heute nicht ganz geklärt. Auch hatte Version 2.0.1 nur drei Homescreens zur Auswahl. Die entsprechende Unruhe in der Nutzergemeinde konnte gerade noch rechtzeitig gestoppt werden um einen Kreuzzug gegen den Google-Hauptsitz in Mountain View, Kalifornien zu verhindern.

 Auch ein Stein stellt sich manchmal quer, diesmal allerdings beabsichtigt. Die Homescreens wechseln nur durch ausziehen der Tastatur in den Horizontalmodus.

Mit dem Update auf Version 2.1 wurden 90% dieser Baustellen beseitigt. Die Performance wurde ebenfalls verbessert, und auch an diversen Anwendungen wie dem Musik-Player wurden Verbesserungen vorgenommen. 
Was bedeutet das nun in der Praxis? Man merkt das Android langsam aber sicher aus seinen Kinderschuhen herauswächst. Das System ist sehr leicht zu bedienen, alle wichtigen Funktionen  lassen sich ohne Schwierigkeiten bedienen. Die volle Leistungsfähigkeit entwickelt Android aber erwartungsgemäß erst in Verbindung mit einem Google-Konto. Man muss nur einmal seine Google-Daten angeben und ab dann synchronisiert das Milestone sich automatisch mit Google Mail und Google Calendar. Auch die Kontakte werden automatisch vom Google-Mail-Konto übernommen. Die E-Mails werden nach Betreff und Empfänger zusammengefasst, wie man es von Google Mail gewohnt ist. Auch die SMS werden Empfängerweise gebündelt, was Platz auf dem Display spart. Die Kontakte werden bei Android leider nur nach den Vornamen sortiert. Das ist etwas ungewohnt, man gewöhnt sich aber schnell dran. 
Auch wenn man kein Google-Konto hat ist das Milestone noch benutzbar, so lassen sich auch andere E-Mail-Adressen und auch Exchange-Server einbinden, was das Milestone für Geschäftskunden zu einer ernsten Alternative zu Blackberry und Windows-Mobile-Geräten macht. Leider fehlt dem Milestone eine leistungsfähige Office-Suite, so dass die Eignung als Business-Gerät noch etwas eingeschränkt ist. 
Die Kamera ist seit der Beseitigung des Autofokus-Bugs halbwegs brauchbar, allerdings ist die Reaktionszeit nach drücken des Auslösers extrem lang. Schnappschüsse,wofür solche Geräte eigentlich prädestiniert wären sind somit fast unmöglich. Allerdings ist mit dem Update auf Android 2.1 eine Videofunktion dazu gekommen, die sich ganz gut benutzen lässt.


 Der Mitgelieferte Musik-Player ist wie ein Dieter-Bohlen-Song - Handwerklich solide aber nix woran man sich länger erinnert.

Eine der wichtigsten Funktionen für mich ist der MP3-Player. Musik ist für mich keine Sache von Leben und Tod, sie ist viel wichtiger! Der Mitgelieferte MP3-Player, nun ja, er funktioniert. Er hat die üblichen Funktionen und im Horizontalmodus auch Coverflow, ist aber eher eine graue Maus, nichts was z.B. dem Branchenprimus Apple das Wasser reichen könnte. Wer, wie ich auch ein paar optische Finessen bei seinem MP3-Player bevorzugt, dem sei Cubed ans Herz gelegt. Diese kleine App bietet die gleichen Funktionen wie der Standard-Musikplayer, bietet jedoch eine optisch erheblich ansprechendere Benutzeroberfläche mit vollständig implementierten Coverflow und der Möglichkeit, fehlende Albumcover automatisch aus dem Internet herunterzuladen.

Der im Android Market erhältliche Musikplayer Cubed (³ im Market) sieht da schon erheblich angenehmer aus.

Der Browser ist schnell und einfach zu bedienen, wie man es von einem Internetkonzern wie Google auch nicht anders erwarten sollte. Leider unterstützt er aktuell noch kein Java, was aber kein Beinbruch ist. Ein entsprechendes Update soll laut den Meldungen auf diversen Branchenportalen in Arbeit sein, wann es verfügbar sein wird ist noch nicht bekannt.

 Der Browser ist gut - Wäre auch peinlich wenn Google da gepatzt hätte!

Google Maps und YouTube stehen als eigene Apps auf dem Milestone zur Verfügung, ebenso gibt es ab Android 2.1 auch eine App für Facebook, die mangels aktivem Facebook-Account von mir jedoch nicht genutzt wird. Die Tatsache dass das Milestone im Gegensatz zu seinem US-Gegenstück DROID bereits ab Werk Multitouch-Unterstützung an Bord hat macht vor allem Google Maps und den Browser erheblich einfacher zu benutzen. Auch die Bildergalerie ist dadurch erheblich anwenderfreundlicher.
Wer mit der mitgelieferten Software nicht ganz zufrieden ist dem steht immer noch der Android Market zur Verfügung. Mit 15.000 Apps und Programmen ist er zwar noch nicht so umfangreich wie sein Gegenstück von Apple, bietet aber durchaus schon eine sehr gute Auswahl an passenden Apps.

Für jeden Geschmack was dabei - der Android Market

Fazit - Was vom Milestone übrig blieb

Was ist nun mein Urteil über das Milestone? Apple sollte sich warm anziehen, denn mit dem Milestone ist es Motorola nicht nur gelungen aus dem nichts wieder eine ernstzunehmende Größe im Europäischen Mobilfunkmarkt zu werden, sondern auch einen ernsthaften Konkurrenten zum iPhone aufzustellen. Es macht vieles genau so gut, einiges sogar noch besser als das Konkurrenzprodukt vom Apfel, und ist außerdem erheblich Alltagstauglicher. Auch sorgt die Open-Source-Architektur von Android für eine kontinuierliche Weiterentwicklung da nicht nur Google selbst sondern auch eine ganze Schar an Third-Party-Entwicklern an der Verbesserung des Systems arbeiten.
Das Gerät lässt sich extrem leicht bedienen, sieht gut aus und ist dabei trotzdem robust. Der "Stein", wie das Milestone von seinen Usern/Fans genannt wird ist einfach nur genial und macht Spaß. Der doch recht hohe Preis ist auf jeden Fall gerechtfertigt. Ich kann es ohne Einschränkungen weiterempfehlen. 
Trotzdem sollte man einen guten Datentarif haben wenn man sich das Milestone zulegt. Auch wenn Google bei weitem nicht so viele Daten über das Gerät sammelt wie es einem weisgemacht wird so braucht man doch eine Verbindung zum Internet um die Volle Leistungsfähigkeit des Gerätes ausschöpfen zu können. Trotzdem hat das Gerät seinen Namen nicht umsonst, es ist in der Tat ein Meilenstein.
 


Kommentare

  1. Danke für den interessanten Bericht! Ich bin schon lange am überlegen, ob ich mir das Motorola Milestone auch zulegen soll. Mittlerweile konnten mich die vielen Berichte, die ich gelesen habe so sehr überzeugen, dass ich es mir einfach bestellt habe. Außerdem habe ich gelesen, dass Android 2.2 auch auf dem Milestone laufen wird. Dadurch bekommt man eine Flash 10.1 Unterstützung auf dem Handy und ist dem iPhone somit einen großen Schritt voraus.

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